Klinik im Verbundsschmerz

Klinik im Verbundsschmerz

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Stadtrat Jakobi protestiert 1989 einsam gegen die Abgabe des Krankenhauses an den Landkreis. Foto © rolf diba

ROTHENBURG OB DER TAUBER – Eine gute und patientennahe Krankenhausversorgung im ländlichen Raum zu erhalten, ist Ziel einer von Rothenburg ausgehenden Online-Petition. Zwar geht es allgemein und bundesweit gegen das Kliniksterben, Hintergrund der Initiative sind aber die jahrelangen Turbulenzen um Management und Ausrichtung des Klinik-Verbundes ANregiomed.

Dazu zählen die früher selbständigen Krankenhäuser Rothenburg, Dinkelsbühl sowie die  Praxisklinik in Feuchtwangen. Insgesamt handelt es sich um 750 Planbetten, wobei in den Fach- und Belegabteilungen  fast 2500 Mitarbeiter beschäftigt sind. Die Rothenburger mußten vor dreißig Jahren hinnehmen, dass der Stadtrat vermeintlichen Zwängen gehorchend sein gut geführtes hospitälisches Krankenhaus an den Landkreis Ansbach abgab.

Tatsächlich schrieb die Klinik, in die ständig investiert wurde, auch als kreisangehörig noch stets schwarze Zahlen, bis zuletzt auch im neuen seit 2013 bestehenden Krankenhaus-Verbund, in dem die Gesamt-Wirtschaftlichkeitsrechnung aufgemacht wird und die defizitären Häuser von den erfolgreicheren profitieren.

Seit wenigen Jahren reißen die Negativ-Schlagzeilen um den Klinikverbund nicht ab, wobei die politischen Träger in dem gemeinsamen Kommunalunternehmen klare Vorgaben vermissen lassen. Vor zwei Jahren schrieben bereits große Zeitungen, dass der Klinikverbund pro Tag mit 30 000 Euro Verlust kämpft und die Lage verfahren sei, weil sich die zuständigen Kreispolitiker nicht einigen konnten, wie es weitergehen soll. Von Mißmanagement bei permanenten Führungs- und Personalproblemen ist seitdem immer wieder die Rede.

Das aber möchte man jetzt alles am liebsten weit hinter sich lassen. Nach einigen Personal- und Kurswechseln wurde erst vor einem guten Jahr Dr. Gerhard Sontheimer,58, als ANregiomed-Vorstand und Hoffnungsträger ins Boot geholt. Der galt schon bei früheren Arbeitgebern in der Branche als knallharter Manager. Die Beurteilung seines Sanierungskurses ist je nach politischem und persönlichen Standort sehr unterschiedlich, aber es scheinen doch einige zumindest einen Silberstreif am Horizont zu sehen – der aber mit einschneidenden Maßnahmen im bestehenden Verbund erkauft werden dürfte. Denn dass sich alle drei Standorte ohne Einbußen beziehungsweise eine  neue Ausrichtung erhalten lassen, ist für Sontheimer nicht denkbar.

Ein großes politisches Thema sind hohe Beraterverträge aus der Vergangenheit und das angebliche Missmanagement, das der momentane Vorstand von früher vorgefunden hat. Er sieht nun die schwierige Aufgabe eventuell drastischer Einschnitte vor sich, um eine sonst drohende Privatisierung oder gar Schließungen zu verhindern. Bei der im Gesundheitswesen herrschenden Gigantomanie ist das nicht abwegig: Gerade schließt sich der Konkurrent Diakoniewerke Neuendettelsau (bzw seine Klinikeinrichtungen) mit dem Diakonie-Krankenhaus in Schwäbisch Hall zusammen, was dann zu insgesamt 1250 Krankenhausbetten führt. Einzugsbereiche überschneiden sich somit mehr denn je mit dem AnRegiomed-Gebiet und dabei speziell auch mit dem Rothenburger Krankenhaus.

Jeglichen Schließungsabsichten widersprechen alle verantwortlich Beteiligten aus Politik wie Krankenhausvorstand, aber die Skepsis in der Bevölkerung wächst weiter. Die  in den letzten Wochen geführten neuen Personalauseinandersetzungen auf der Chefarzt-Ebene fördern das noch. Das Hin und Her zwischen Leitung und dem Rothenburger Kardiologie-Chef Dr. Christian Wacker ist in diesen Tagen  durch die Einstellung eines neuen Chefarztes der Kardiologie in Ansbach beendet worden. Der Rothenburger Kardiologe Dr. Wacker war bislang sowohl für Rothenburg wie für Ansbach als Kardiologe und Chefarzt zuständig, jetzt geht das Ansbacher Haus gestärkt aus dem Streit hervor. Unverkennbar spielen bei allen Auseinandersetzungen auch politische Interessen zwischen der kreisfreien Stadt Ansbach mit ihrer Klinik und dem Landkreis Ansbach eine Rolle.

Krankenhaus Rothenburg 1989 nach dem Erweiterungsbau und bei der Abgabe an den Landkreis. Foto © rolf diba

Das Rothenburger Krankenhaus kann bis heute auf eine gute Belegung verweisen – und darunter einen hohen Anteil von Patienten aus dem hohenlohisch-württembergischen Gebiet. Mit Innerer Medizin, Allgemein- und Unfall- sowie Neurochirurgie hat die Klinik in der Tauberstadt ebenso einen guten Ruf wie in der Gynäkologie mit jährlich zirka 600 Geburten bei über zehntausend Patienten insgesamt in Rothenburg (wie der Förderverein Mediroth feststellt).  Dazu kommen noch die Intensivmedizin, Radiologie und Urologie.

Landesweite Petition angestrengt

Angesichts der negativen Schlagzeilen, endloser Leserbrief-Diskussionen und der Aussage eines Ansbacher Arztes, dass Rothenburgs Klinik „keinen Versorgungsauftrag für die Bewohner aus Baden-Württemberg habe” , sah sich Oberbürgermeister Walter Hartl kürzlich veranlaßt festzuhalten, dass die Baden-Württemberger für die Rothenburger genauso wichtig seien wie alle anderen Stadt- und Umlandbewohner.
Das sieht auch Mediroth so, wie Vorsitzender Hans-Peter Nitt hervorhebt und von zeitweise 30 bis 40 Prozent Patienten aus dem Württembergischen spricht, was die Zentralität der Stadt für das gesamte Umland unterstreiche. Nitt freut sich über das gute Anlaufen der Online-Petition. OB und Krankenhaus-Verwaltungsrat Walter Hartl hatte die Petitions-Idee, die der Verein Mediroth und  der örtliche Seniorenbeirat bundesweit über eine darauf spezialisierte Internet-Plattform (openpetition.de) umsetzten.

Die Unterzeichner fordern Bundesregierung und Landesregierungen auf, im ländlichen Raum dauerhaft die Krankenhausversorgung  auch mit kleineren Häusern sicherzustellen. Wenn öffentlich über Schließungen diskutiert werde, seien häufig schon Vorentscheidungen getroffen, Widerstand müsse frühzeitig einsetzen. Aus ganz Deutschland müßten  innerhalb von fünf Monaten 50.000 Unterschriften zustande kommen, damit das Gesuch im Petitionsausschuss des Bundestages behandelt wird. Viele Eintragungen bei der Initiative „Stopp dem Krankenhaussterben im ländlichen Raum!“ kommen aus Württemberg, betont Nitt, der es für nötig hält, den Protest gegen eine falsche Politik bei der Krankenhausversorgung noch zu verstärken.

Was Rothenburgs Zukunft mit dem Krankenhaus anbelangt, so bedauert schon jetzt mancher Kommunalpolitiker den Stadtratsbeschluss von 1989 zur Abgabe des Krankenhauses der städtischen Hospitalstiftung an den Landkreis Ansbach. Davon hatte man sich eine Art „goldene Zukunft” erhofft.
ROLF DIBA

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