Seltener Klappstuhl und Perlen als Beigabe in Frauengrab aus dem 6. Jahrhundert

Seltener Klappstuhl und Perlen als Beigabe in Frauengrab aus dem 6. Jahrhundert

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Eine farbige Millifioriperle am Skelett der Frau. © rolf diba

STEINSFELD – Es ist sogar europaweit eine Seltenheit und in Deutschland geschah es erst zum zweitenmal überhaupt, dass man einen eisernen Faltstuhl aus dem Frühmittelalter entdeckt hat. Über diesen seltenen Fund in einem auch sonst reich bestückten Frauengrab konnte sich kürzlich ein archäologisches Grabungsteam in Endsee, Gemeinde Steinsfeld, freuen.

Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege hat die Grabung fachlich betreut, den Klappstuhl entdeckte man als Grabbeigabe einer weiblichen Bestattung etwa aus der Zeit um 600 nach Christus. Das Möbelstück läßt einen an den klassischen Camping-Faltstuhl unserer Zeit denken und beweist wie fortschrittlich und praktisch auch schon vor ein- bis zweitausend Jahren gedacht wurde. Rund 70 mal 45 Zentimeter mißt das Objekt im gefalteten Zustand, das die Archäologen auch wegen seines guten Erhaltungszustandes so erstaunt hat.

Solche Funde seien eine absolute Seltenheit und von großem kulturhistorischen Interesse, weil sie die Grabausstattung herausgehobener Bevölkerungsschichten zeigten und den frühen Gebrauch von Möbeln, erläuterte Generalkonservator Prof. Mathias Pfeil. Es handelt sich um ein 1,3 auf 2,7 Meter großes Grab , das bei Bauarbeiten im Endseer Gewerbegebiet entdeckt wurde.
Grabungsleiter Matthias Tschuch am frühmittelalterlichen Grab einer betuchten Frau. Foto © rolf diba

Ohnehin gilt die Gegend um den Endseer Berg bei Rothenburg, auf dem nach 1130 eine Burg errichtet wurde, schon seit Jahrzehnten als archäologisch und erdgeschichtlich interessantes Gebiet. Dort findet sich auch ein vom Landesamt für Umwelt wissenschaftlich ausgewiesenes Geotop in einem alten Gipsbruch, wie er vor 230 Millionen Jahren entstanden ist.

Die Burg der Herren von Endsee hat der Nürnberger Burggraf leider schon 1408 zerstört und auf kaiserlichen Befehl hin gründlich geschleift. Interessante Funde in dieser Region Westmittelfrankens im Altlandkreis Rothenburg hat es schon immer mal gegeben, sei es aus der Frühgeschichte oder dem Mittelalter. Steinzeitsiedlungen sind auch nahe Rothenburg bereits kartiert.

Das gut erhaltene Skelett ist nach erster anthropologischer Einschätzung einer im Alter zwischen vierzig und fünfzig Jahren verstorbenen Frau zugehörig. Und dass diese reich geschmückt war, belegen die mehrfahrbigen Glasperlen, offenbar hatte sie eine Perlenkette um den Hals. Dazu gehört ein Gürtel mit einem Gehänge mit zwei sogenannten Bügelfibeln  (Bestandteil einer germanischen Frauentracht) und einer Almandinscheibenfibel (Gewandspange), dazu einer großen Millefioriperle und einer Spinnwirtel.

Der eiserne 1400 Jahre alte Klappstuhl am Fußende des Skeletts. Foto © rolf diba

Vermutlich die Rippe eines Rindes hat man als Fleischbeigabe am Fußende der Toten neben dem Klappstuhl entdeckt. Die Grabkammer dürfte geschlossen gewesen sein wie Reste einer Holzverschalung vermuten lassen. Doch damit nicht genug, gleich neben diesem Grab legten die Archäologen im August noch ein Männergrab frei, das sich in paralleler Anordnung und West-Ost-Ausrichtung befand. Wie das Landesamt für Denkmalpflege dazu mitteilt, waren dem Verstorbenen neben seinem Leibgurt mit Bronzeschnalle und Gürteltasche eine komplette Waffenausstattung aus Lanze, Schild und Spatha (zweischneidiges einhändig geführtes Schwert) sowie ein Beinkamm beigegeben.

Matthias Tschuch, Chef der beauftragten Grabungsfirma, erläutert, dass man neben den zahlreichen Perlen auch noch etliche organische Reste gefunden hat. Das Grab falle ferner durch seine Tiefe von mindestens zwei Metern unter  der Geländeoberkante und sogar durch den Fels hindurch sowie mit relativ komplexem Grabeinbau auf. Dazu gehöre eine Holzabdeckung und eine Holzplatte unter der Bestatteten. Beide gefundenen Gräber hätten einen zusätzlichen großen Fußraum aufgewiesen, wo es noch viel mehr organische Objekte gegeben haben dürfte, die nicht mehr erhalten sind.

Wie können derartige Gegenstände nach so langer Zeit noch erkennbar sein? Tschuch erläutert, dass der lehm- und eisenhaltige Boden sich positiv auswirkt. Stoffreste finde man in Bereichen, wo Kupfer auftritt, weil das toxisch sei für die Mikroorganismen, die dann das Leder nicht besetzen, so dass es sich erhält.

Den als ganzer Block im Erdreich gesicherten Klappstuhl untersucht man derzeit in der Restaurierungswerkstatt des Landesamtes  bei Bamberg. Auch alle andern Funde sind gesichert und werden fachmännisch analysiert, so könnten sich noch weitere  Aufschlüsse ergeben. Jedenfalls scheinen die Beigesetzten vor fast eineinhalbtausend Jahren wichtige Autoritätspersonen mit Macht und Würde gewesen zu sein. Eiserne oder bronzene Klappstühle wurden bereits seit der römischen Antike hergestellt.

Das wissenschaftlich bedeutende Geotop in Endsee liegt unmittelbar neben dem Gewerbegebiet. Es handelt sich um einen Gipsbruch wie er vor 230 Millionen Jahren entstanden ist. Foto © rolf diba

Nach der bereits erfolgten Auswertung und Sicherung aller Fundstücke sind die Grabkammern wieder aufgefüllt und das Gelände im  „Gewerbepark Rothenburg und Umland“, so der offizielle Name, kann weiter bebaut werden. Dem Gewerbepark auf der Gemarkung Steinsfelds gehören außer der Großen Kreisstadt Rothenburg noch sechs Altkreis-Gemeinden an. Dabei hat es allerdings wegen solcher Funde bereits Änderungen des Geländezuschnitts für geplante Bauvorhaben gegeben.

Und auch künftig wird nicht ausgeschlossen, dass man bei Erschließungs- und Bauarbeiten in Endsee fündig werden könnte. Zwischen Autobahn und dem Bodendenkmal der Burg mit Wallanlage sind 94.000 Quadratmeter Erweiterungsfläche vorgesehen. In einem Teil des geplanten Baugeländes sind laut amtlicher Kartierung im Bayernatlas des Landesamtes für Denkmalpflege weitere Bodendenkmale zu erwarten, was besondere Anforderungen an die Erschließung stellt. Es bleibt also archäologisch spannend.

Rolf Diba

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