Ein virtuoses Leben

Ein virtuoses Leben

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Wolfgang Weth @ rolf diba

ROTHENBURG – Ein selten virtuoses Leben liegt hinter ihm und am Ende ist sogar sein Wunsch, einmal leidensfrei sterben zu dürfen, erfüllt worden – aber es kam mit 72 Jahren viel, viel zu früh und ohne jedes Vorzeichen. Wolfgang „Muffel“ Weth ist tot! Was für eine Nachricht, man weigert sich sie als Wahrheit zu begreifen.

Wer ihn in seinem oft sarkastischen Humor und seiner köstlichen Schlitzohrigkeit kannte, mag sich kurz dem Trugschluss hingegeben haben, es könnte wieder mal ein von ihm zum Schrecken der anderen inszenierter Gag sein. Aber nein, Muffel Weth wollte in Karlsruhe abends mit der Straßenbahn nach Hause fahren, brach plötzlich zusammen und war trotz aller Bemühungen in einer nahen Klinik nicht mehr ins Leben zurückzuholen.

Vorletzte Woche stand er noch auf der Korn-Bühne und begleitete das Duo Hirschberg-Düll, im Gespräch wie immer voll Ideen sprühend. Er verstand es jede Minute zu genießen, nichts aufzuheben für später, denn „nur die Gegenwart ist sicher“ war sein Credo. Rothenburgs Kulturszene hat einen begnadeten Künstler verloren, seine vielen Freunde sind zutiefst erschüttert, sein Tod hat eine nicht zu schließende Lücke gerissen.

Er war vielen ein aufrechter, wirklicher Freund. Dankbarkeit bleibt bei allen, denen er nahe stand über seine große musikalische Hinterlassenschaft – wer in seine Lieder und die einfühlsamen, die Seele berührenden Klarinettenstücke hineinhört, spürt seine Nähe über den Tod hinaus. Ein Virtuose des Lebens, nicht nur der Perfektionist in der Musik, sondern auch als Feinschmecker ein Könner, der sterneverdächtige Menüs auf den Teller zauberte und dessen Weinsammlung legendär war. Alles ergänzte sich harmonisch, vor allem aber in der 43-jährigen glücklichen Ehe mit seiner Frau Eva, beide waren immer unzertrennlich. Ihre Gastfreundschaft durften viele in ihrer ganzen Herzlichkeit erleben, Abende oder Essen mit Wolfgang und Eva Weth sind unvergessliche Erlebnisse, nicht nur wegen der kulinarischen Genüsse, sondern auch wegen der anregenden Gespräche. Egal wann und wo er einem begegnete, Muffel verbreitete immer Sonnenschein und doch verbarg sich hinter seinen geistreichen Späßen und mancher Ironie stets ein ernster Mensch, dem man vertrauen durfte.

Seine Karriere, nach einer abgeschlossenen Schreinerlehre bald ins Jazz- und Musikfach wechselnd, hätte ihn zu Höhenflügen hinreißen können – doch er blieb stets der Heimat und den Rothenburgern verbunden. Hier prägte er seit den fünfziger Jahren die Jazzer-Szene mit, für die er eine Integrationsfigur war. Die Oldtime-Jazz-Band ist ohne ihn nicht denkbar. Bei Stadtkapellmeister Helmut Streckfuß hatte er sein Instrument, die Klarinette, gelernt. Eine harte, aber erfolgreiche Schule wie er selbst sagte. Der Kammermusikkreis mit Helmut Faust, aber auch der Geiger Konrad Lindemann und Dirigent Helmut Weigel waren ihm wichtige Lehrmeister. Muffel bereicherte früher den Schäfertanz und spielte bis zuletzt bei der Hans-Sachs-Musik, ebenso denkt man an seine Soloauftritte beim Meisterkonzert.

Muffel Weth @ rolf diba
Muffel Weth @ rolf diba

Seine beruflichen Stationen: Die Würzburger Musik-Hochschule (1960) bei Prof. Ernst Flackus, der ihn zum Studienaufenthalt in Frankreich (Ecole Nationale de Musique in Caen) animierte, dem Schlüssel zum Profi-Musiker. Dann 1968 im Orchester der Hansestadt Lübeck, 1969 an die Philharmonie Baden-Baden und 1971 als Soloklarinettist am Stadttheater Würzburg. Schließlich ab 1973 bis 2003 Soloklarinettist der Badischen Staatskapelle Karlsruhe, wo er an der Musikhochschule auch noch einen Lehrauftrag hatte. Eine Werkschau ist undenkbar ohne die drei Jahrzehnte lange Zusammenarbeit mit dem Brazil-Gitarren-Virtuosen Martin Müller als musikalischem Weggefährten. Mit seiner Solo-CD „Half a step to New York“ (Minimal Music von Steve Reich, der als Komponist hohe Anerkennung für Weths Interpretation zollte) setzte er eine künstlerische Wegmarke. Ungewöhnliche Klangerlebnisse waren ein Markenzeichen, auch bei seinen Gastspielen mit dem bundesweit erfolg­reichen „Opera Swing Quartett“. Klassik und Jazz gingen bei Wolfgang Weth eine Verbindung ein. Seine Reihe „Klarinetten-Terror” ist nur ein weiteres unter vielen Stichworten und CD-Titeln.

„Eine Ode an die Leichtigkeit des Seins, so träumerisch schön und zartschmelzend wie sie nur wahre Künstler schenken können”, schrieb ein Kritiker über ein Konzert von Müller und Weth mit Tangos, Bossa, Swing und mehr. Am nächsten Dienstag hätte Wolfgang Weth mit Klarinettenklängen einen Film über das Konzentrationslager Theresienstadt in der Badischen Landesbibliothek begleiten sollen – er wird nicht mehr dort sein können, aber seine Musik hat er uns als ein bleibendes Vermächtnis hinterlassen.

Rolf Diba (im FA vom 6. März 2015)

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