Von den alten Stadtbaumeistern lernen

Von den alten Stadtbaumeistern lernen

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Die Kommentar-Schreibmaschine. Foto © rolf diba

DIE MEINUNG ZU STADTENTWICKLUNG UND INVESTORENBOOM

Der Wiederaufbau ist schuld! Ohne den müßte man sich vermutlich keine Sorgen um das mittelalterliche Ensemble machen – weil es gar keines mehr gäbe. Viele Städte nutzten nach 1945 die Gelegenheit auf Ruinenflächen modern zu bauen und dachten nicht daran, sich am historischen Vorbild zu orientieren. Die Rothenburger waren schlauer mit ihrem beispiellosen Wiederaufbau und das zahlt sich bis heute aus.

Der stark touristisch geprägte Fokus auf die Altstadt hat der Neustadt manchmal die nötige Aufmerksamkeit entzogen. Daraus resultiert ein buntes Mosaik aus Wohn- und Industriegebieten, entstanden aus dem jeweiligen Zeitgeist und nach den praktischen Gegebenheiten des Landbesitzes oder der Investoreninteressen. „Eine fröhliche Mischung von Wohn- und Gewerbegebieten“ hat es Architekt Eduard Knoll in seinem erkenntnisreichen Fachvortrag auf der Wildbad-Tagung zum „Landschaftsgarten Rothenburg” genannt.

Viele alte Städte, darunter neuerdings sogar Dinkelsbühl, verlieren zunehmend den Reiz des Eingebettetseins in eine unberührte Kulturlandschaft, in der ein ausufernder Siedlungsbrei Platz greift und die gepriesene Altstadt durch unpassende Neubauten in unstrukturiertem Umfeld konterkariert wird.

Andere Orte haben das Pech, kein Taubertal zu haben, mit dem sich das Traumbild vom „fränkischen Jerusalem“ so schön projizieren läßt. Zwischen dem Landschaftsschutzgebiet Taubertal und dem Naturpark Frankenhöhe verschmelzen Rothenburg, Neusitz und Gebsattel, durchzogen von einer europäischen Autobahn-Magistrale. Der Blick schweift über das mit Beton und Straßen versiegelte fränkische Land und nimmt im Hintergrund die letzten noch sichtbaren Turmspitzen von St. Jakob und der Stadtmauer wahr. Am Horizont fallen riesige Windräder ins Auge, Weizen- sind durch Solarfelder ersetzt und künden von der neuen Klima-Zeit.

Bis 1890 stand Rothenburg einsam in der Landschaft. Dann aber folgte in der Bauperiode bis 1920 eine überzeugende und durchaus städtische Weiterentwicklung außerhalb der Altstadt, die sich als beispielgebend zu studieren lohnt: dichte, aber gut gegliederte und zugleich offene Bebauung mit viel Grün, eine spürbar logische Fortentwicklung mittelalterlicher Baukunst mit wechselnden Erlebnisräumen, die heimisch wirken. Da verstand man es sogar altstadtnahe Industriebauten architektonisch ansprechend zu integrieren. 

Stadtplaner und Architekt Theodor Fischer (1862 -1938) hat nicht nur mit der Luitpoldschule ein herausragendes Bauwerk hinterlassen, vor allem sein Rothenburger Generalbaulinienplan spricht Bände. Leider sind diese zukunftsweisenden Stadtenwicklungslinien nach dem Krieg endgültig abgebrochen. Ebenso läßt sich von den Stadtbaumeistern vergangener Jahrhunderte viel lernen. Manch gute Ansätze – bis in die siebziger und achtziger Jahre – versandeten. Bauliche Grausamkeiten wie eine Wohnsiedlung auf der andern Talseite, die Seniorenresidenz gestaffelt am Taubertalhang hoch oder die Brücke übers Schandtaubertal als Autobahnzubringer aus Württemberg scheiterten zum Glück.

Als Große Kreisstadt hat Rothenburg (neben Dinkelsbühl) die wichtige Bauhohheit behalten, entwickelt eigene Wohnbau-Gebiete und kann erschwingliche städtische Mietwohnungen anbieten. Das reguliert den überteuerten Immobilienmarkt. Es gab Zeiten, da hat man Investoren verzweifelt gesucht. Nun ist man in der glücklichen Lage, dass kleine und große Investoren sich die Klinke in die Hand geben. Eine große Chance für die Stadtentwicklung – wenn alle Beteiligten verstehen, wie mit dem Kulturerbe Rothenburg umzugehen ist.                  ROLF DIBA

 

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