Klinik-Standorte erhalten

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Blick auf den Bettentrakt des Krankenhauses Rothenburg. Foto © Rolf Diba

ROTHENBURG OB DER TAUBER – Trotz des weiter gestiegenen Defizits im Verbundklinikum Anregiomed gibt sich der Vorstand für das zweite Halbjahr zuversichtlich. Man sehe eine „gute Perspektive dank zahlreicher Neubesetzungen” betont Dr. Gerhard M. Sontheimer. Von drohender Schwächung oder Schließung könne nicht die Rede sein. Nach großer Sorge von Patienten und Ärzten um die Zukunft der Standorte mit dem 180-Betten-Haus Rothenburg hebt die Leitung die Bedeutung der Klinik hervor. Schon seit Jahrzehnten ist das Rothenburger Krankenhaus auch bei vielen Patienten aus dem benachbarten Baden-Württemberg sehr gefragt. 


Bundesweit wird derzeit für den Erhalt der Krankenhäuser auf dem Land durch eine Online-Petition gekämpft, die von der Tauberstadt aus vor Monaten gestartet wurde. Sie richtet sich an die Bundesregierung und den Petitionsausschuß des Bundestages. Von den nötigen fünfzigtausend Unterschriften, um in den Petitionsausschuss zu kommen, sind bislang erst über 43 Prozent erreicht, aber es bleiben noch zwei Monate bis Eintragungssschluß.
Und dann geistern zu allem Übel  neuerdings aufschreckende „Erkenntnisse” durch die Medien, die auf der aktuellen Studie der Berteslmann-Stiftung beruhen. Demnach raten die Experten, von derzeit 1400 Krankenhäusern landesweit nur  600 größere und gut ausgestattete zu erhalten. Nur Kliniken mit großen Fachabteilungen und vielen Patienten hätten die Voraussetzungen für optimale Behandung wird postuliert. Natürlich ruft das den Widerstand in der Politik und vor allem in Kommunen und Landkreisen hervor, die noch eine gute Versorgung ähnlich wie der Landkreis Ansbach aufweisen. 
Deshalb versucht man vielerorts mit Verbundkliniken die Vor- und Nachteile einer Flächenversorgung auszutarieren. So wie bei Anregiomed mit Ansbach als Schwerpunktkrankenhaus bei über 400 Betten, Rothenburg 180 Betten und Dinkelsbühl mit 170 Betten. In Feuchtwangen gibt es noch die Praxisklinik mit Kurzzeitpflege und ambulantem Angebot, insgesamt 750 Planbetten. 
Man wolle „eine flächendeckende Versorgung für den Landkreis bieten” unterstreicht Anregiomed- Pressesprecher Rainer Seeger. Zu öffentlich geäußerten Befürchtungen (so aus der niedergelassenen Ärzteschaft, von Insidern und Patienten), man wolle das Rothenburger Krankenhaus ausdünnen oder langfristig schließen, betont Dr. Sontheimer: „Niemand stellt diesen Standort und seine Leistung in Frage!” Das Problem sei kurzfristig durch die schwierige Stellenbesetzung in der Kardiologie entstanden, aber jetzt stärkten neue Ärzte das Unternehmen. Sontheimer: „Ein besonders wichtiges Ziel ist die schnellstmögliche Nachbesetzung der vakanten Stellen in der Kardiologie am Standort Rothenburg!” Dort werde suche man außerdem einen Rhytmologen zur Weiterführung der Elektropysiologie. 


Letztes Jahr schloß der Klinikverbund mit 18,7 Millionen Defizit ab und über Krankenhausleistungen wurden Erlöse von 125,3 Millionen Euro erzielt. Die rückläufigen Erlöse sieht Sontheimer durch fehlende Ärzte an allen Standorten begründet. Mitte Juli konnte die Chefarztstelle der Kardiologie am Klinikum Ansbach wieder besetzt werden. Weitere Fach- und Oberärzte unterstützen auch die Innere Medizin in Rothenburg und Dinkelsbühl, heißt es. Den Erlösausfall von 1,1 Millionen im ersten Quartal 2019 hofft Dr. Sontheimer bis Jahresende „wenigstens teilweise” wieder aufzuholen: „14 neu eingestellte leitende Ärzte sowie 13 Assistenzärzte lassen uns positiv in die zweite Jahreshälfte blicken.”
Laut aktueller Statistik kommen beim Rothenburger Krankenhaus knapp 25 Prozent der Patienten aus Baden-Württemberg, wozu Vorstand Dr. Sontheimer im Hinblick auf umstrittene Äußerungen klarstellt: „Der bayerische Landeskrankenhausplan definiert zwar den Versorgungsauftrag unserer Kliniken nicht für Patienten aus anderen Bundesländern, aber es kann keineswegs die Rede davon sein, dass wir uns für die Menschen jenseits der Landesgrenze deshalb nicht zuständig fühlen!” Im Gegenteil freue man sich über die württembergischen Patienten, denen man ebenso „eine fachgerechte medizinische Versorgung” anbiete. 


Immerhin gehört Rothenburg nicht zu den bundesweit gesehen ganz kleinen Krankenhäusern. Pro Jahr werden hier zirka 12.000 Patienten stationär und nochmal 12.000 ambulant behandelt. Die Geburtenzahlen sind stabil, 2018 kamen in Rothenburg 585 Kinder zur Welt, dieses Jahr rechnet man mit einem Anstieg. Der Vorstand unterstreicht den guten Ruf der Rothenburger Klinik sowohl bei den Patienten wie besonders auch bei den niedergelassenen Ärzten. Die Verbundenheit ist hier bemerkenswert groß. Am Krankenhaus sind mehrere Facharztpraxen angesiedelt, die MVZ Anregiomed GmbH bietet  ambulante orthopädische, neurochirurgische und gynäkologische Versorgung an. Dazu kommt ein Facharzt für Urologie. 
Die kardiologische Versorgung sieht man derzeit weiter durch den erfahrenen Chefarzt Dr. Christian Wacker und sein Team gewährleistet. Sontheimer dazu: „Wir sind zuversichtlich, dass der bedauerliche Weggang von zwei erfahrenen Fachärzten mittelfristig kompensiert werden kann”. Man bemühe sich intensiv um weitere Kardiologen für den Klinikverbund. 
Am seit 1928 bestehenden ehemals hospitälischen Rothenburger Krankenhaus wurde anfangs der sechziger Jahre erheblich erweitert, 1989 kam ein neues Bettenhaus hinzu und 2013 der nächste Erweiterungsbau. Heute ist es ein anerkanntes Haus der Grund- und Regelversorgung und Lehrkrankenhaus der Universität Würzburg. 


Die Fachabteilungen: Anästhesie- und Intensivmedizin, Innere Medizin, Allgemein- und Viszeralchirurgie, Unfallchirurgie, Gynäkologie und Geburtshilfe sowie Radiologie. In vielen Bereichen würden die internistischen und chirurgischen Abteilungen sogar weit über die Leistungen einer Klinik dieser Regelversorgungsklasse hinausgehen. 
Die Kardiologie kooperiere seit Jahren mit dem Uni-Klinikum und Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg. Dass die Klinik Rothenburg jetzt als erste in Bayern zur Herzinsuffizienz-Schwerpunktklinik zertifiziert wurde, sieht man als große Anerkennung. Auch bei moderner EDV sei man vorne dabei, denn die Software, so Chefarzt Dr. Christian Wacker, ermögliche auch eine Anbindung von niedergelassenen Ärzten.
Dass Rothenburgs Krankenhaus auch noch als lokales Zentrum innerhalb des Traumanetzwerks Nordbayern-Würzburg sieben Tage rund um die Uhr für Schwerverletzte aufnahmebereit ist, rundet das Leistungsspektrum ab. Und am Standort Rothenburg werden die einjährige Ausbildung Pflegefachhelfer/Krankenpflege sowie die dreijährige Ausbildung in Gesundheits- und Krankenpflege angeboten. 
Trotz aller Stärken bleibt angesichts bundesweiter Entwicklungen in der Krankenhausversorgung und bei den strengen Anforderungen der Kassen mit Mindestfallzahlen, vor allem aber durch ein bisher  steigendes Verbunds-Defizit bei Anregiomed  die berechtigte Zukunfts-Sorge. Bekommt man die Probleme nicht in den Griff, könnte die kommunale Trägerschaft wackeln – dann bliebe nur noch die Abgabe an konzernähnliche private Krankenhausversorger oder Zusammenschlüsse wie sie kürzlich zwischen der Diakonie Neuendettelsau und Schwäbisch Hall vollzogen wurden. Doch daran wollen im Moment weder die politisch Verantwortlichen im Landkreis noch der Anregiomed-Vorstand denken. Von „vorsichtigem Optimismus” spricht der Vorstand.                        ROLF DIBA

Dieser Beitrag ist ähnlich vorher als Erstveröffentlichung erschienen in: FRÄNKISCHE NACHRICHTEN Tauberbischofsheim, alle Rechte vorbehalten!


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