ROTHENBURG – Er war zwar nicht der Tellerwäscher, der zum Millionär wurde, aber die legendäre Erfolgsgeschichte läßt sich auf Gerold Wolfarth aus dem 300-Seelen-Dorf Archshofen im Taubertal gut übertragen: ein Hohenloher Bauernsohn aus einfachen Verhältnissen, der sich Ziele setzt und es mit Hartnäckigkeit zum Großunternehmer bringt. Der 51jährige gelernte Kaufmann hat mit der im Jahr 2000 gegründeten bk group AG ein europaweit branchenführendes Unternehmen aufgebaut und möchte aus seinem Firmensitz im Gewerbepark Endsee eine Art „Silicon Valley“ der Neugründungen und mittelständischer Innovationsbetriebe machen.
Der agile Unternehmer versteht es sich zu vermarkten, aber er produziert keine Luftblasen, sondern kann handfeste beeindruckende Ergebnisse vorweisen. Rund 50 Millionen Umsatz mit 200 Mitarbeitern in seiner baukreativ-Gruppe und Service GmbH die europaweit in 33 Ländern agieren. Etwa 11500 Partnerunternehmen, 1200 Aufträge und 5000 Einzelhandelsfilialen in Betreuung sind aktuelle Jahreszahlen des Generalunternehmers für Objektausbau und Facility Management (komplette Gebäudebetreuung). Innenausbau-Projekte im Handel, bei Praxen oder Autohäusern, namhafte internationale Firmen sind im Portfolio.
Millliarden-Potential in Sicht?
Was geht dem Top-Manager beim Frühstück am Küchentisch in Archshofen durch den Kopf, bevor er ins Büro fährt, wollen wir am Interviewtag wissen. „Da ist der Gedanke um eine Beteiligung an einem Startup, das Potential hat ein Unicorn zu werden”, sagt er. Auf deutsch ist ein junges innovatives Unternehmen mit einer Marktbewertung über einer Milliarde US-Dollar gemeint. Damit wolle man „die Versicherungsbranche revolutionieren”. Statt mehrerer werde es nur noch eine einzige Versicherungspolice für alles geben, bei rein digitaler Abwicklung.
Gerold Wolfarth, der sportlich federnd daherkommt und seinen Gast lächelnd mit festem Händedruck begrüßt, gibt sich im Gespräch sehr offen und in seinen Aussagen bestimmt. Im Jünglingsalter managte er schon den elterlichen Hof mit Traktoren und Kühen im lieblichen Taubertal und fand Gefallen an der Betriebsführung. Sportlich zeigte er als Ironman-Teilnehmer was Durchhaltevermögen ist. „Man kann alles erreichen, wenn man nur will” lautet sein Credo.
Heute ist er angekommen in der Business- und Showwelt der gefragten Manager, gehört zum edlen Kreis der „100 Top-Speaker für Keynote-Events“ wie es im üblichen Denglish-Kauderwelsch heißt. Und darf sich „Senator of the Senate of Economy Europe” nennen. Die Wirtschaftssenatoren sehen sich als exklusive Denkfabrik. In Presse und Fernsehen ist er bereits gut präsent, wird als ein Botschafter des innovativen Mittelstands gehandelt.
„Wieder geerdet“
Ob er sich nicht schon im Abheben befindet, haken wir nach: „Die Phase habe ich bereits seit 2019 hinter mir” schmunzelt Wolfarth, da habe er gemerkt, dass er sich von seinem Naturell und eigenen Grundsätzen entfernte, sogar arrogant wurde. Aber: „In der Meditation erkannte ich, was nicht zusammenpaßt, sah die dunkle Seite der Macht, die in einem drinsteckt und zog Menschen an, die es nicht ehrlich meinten.” Schnell habe er den falschen Beratern gekündigt, sich „neu sortiert und wieder geerdet“.
Umso mehr gehe es ihm nun um eine Betriebsführung mit „Menschlichkeit und Nachhaltigkeit“ bei der die Mitarbeiter im Mittelpunkt stehen. Klar, dass ein Manager seines Schlages ein Buch geschrieben hat. Der Titel „Gewinn ist nur ein Nebenprodukt”, drückt schon Wolfarths Sicht aus. Nicht Umsatzsteigerung sondern Gewinn zählt für ihn. Wesentlich ist ihm ein Umgang mit Partnern und Kunden „auf Augenhöhe“. Wenn Auftraggeber mit seinen Mitarbeitern nicht anständig umgehen, verzichtet er sogar auf Großaufträge wie er in seinem im Piper-Verlag erschienen lesenswerten Buch schildert, in dem er zehn Leitlinien für ein erfülltes Leben verkündet. Und dabei auch seinen Hang zu spirituellen Sichtweisen und philosophischen Gedanken offenbart.
Zufriedene Mitarbeiter
In der Praxis freilich zählen Fakten und Zahlen. Ohne Gewinn keine Investitionen. Zwanzig Prozent des Jahresgewinnes werden für „Mitarbeiter-Benefits“ ausgegeben, da darf man sich z.B. ein teueres Fahrrad als Zugabe aussuchen. Und es wird einiges sozial gespendet, wozu im Moment auch die Flutopfer gehören.
Die jüngste Personalbefragung ergab „92 Prozent zufriedene und begeisterte Mitarbeiter” freut sich der Chef. In Endsee arbeiten achtzig Leute, die andern verteilen sich auf viele Standorte wie z.B. Düsseldorf als erste Niederlassung (12 Leute) oder Berlin (8). Es gibt keinen Betriebsrat und auch keine Tariflöhne, man zahle „marktgerechte Löhne nach Leistung und Standort” heißt es. „Gäbe es einen Betriebsrat, so würde ich verkaufen, dann hätte ich mit meiner Philosophie versagt!” ist Gerold Wolfarth überzeugt.
Ein Handwerker-Netzwerk in Mergentheim mit 13 Beteiligten war der Ursprung seines Erfolgsmodells. „Mein Gesellenstück” , meint er, „dann habe ich gesagt jetzt probieren wir das mal in ganz Europa” Natürlich war anfangs Lehrgeld zu bezahlen, die ersten Partnerfirmen suchte der Chef noch aus den Gelben Seiten heraus, „Das war ein Harakiri-Ritt!” blickt er auf die Anfangszeit zurück.
Nach Corona gäbe es keine Rückkehr mehr zur Normalität, darauf müsse die Wirtschaft reagieren, vor allem Digitalisierungs-Defizite bei 85 Prozent des Mittelstandes gelte es zu überwinden. Am 17. September will Wolfarth dazu ein Zeichen setzen: 250 geladene Gäste aus Politik (Winfried Kretschmann, Hubert Aiwanger, Wolfgang Bosbach u.a.) und Wirtschaft (von den 30 besten Startups der Dach-Region) hat er nach Endsee eingeladen. „Wir werden an diesem Tag Endsee umformieren zu Silicon Endsee und es wird sogar der Nabel der Startups und Mittelstandsverbindung in Deutschland werden!” kündigt der Manager an.
Als weiteres Projekt soll die mit 20 Säulen größte E-Schnell-Ladestation an der A 7 entstehen, ergänzt um ein Aufenthaltsgebäude mit 24-stündiger digitaler Einkaufsmöglichkeit – ein erlebbarer Ausblick in die total digitalisierte Welt von morgen. Gerold Wolfarth jedenfalls ist sicher eine Lawine ins Rollen gebracht zu haben, will weitere innovative Jungunternehmen ansiedeln, an denen man auch beteiligt ist. Die bk group-Entwicklung denkt er auf Jahrzehte voraus und hat noch Größeres vor.
ROLF DIBA
Mehr zum Thema im folgenden Video-Interview mit Gerold Wolfarth:
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ROTHENBURG – Mit den November-Schließungen wegen Corona hätte man noch eingermaßen leben können, aber ohne Weihnachtsgeschäft wird es nicht nur für die Hotellerie katastrophal....