Auf Hamlets Spuren

Auf Hamlets Spuren

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Peter Kupers Hamlet, März-Verlag
Peter Kupers Hamlet, März-Verlag

Der Journalistensohn Peter Kuper und sein 555-Seiten-Wälzer „Hamlet“, der kulturrevolutionäre Verlag des Jörg Schröder und die Frankfurter Halbwelt- und Dirnen-Szene mit der Nachkriegs-Ami- und Drogen-Welt sind Zutaten für einen spannenden Lesestoff – eine Geschichte, die zu einem Kultbuch führte, dessen Handlung in Rothenburg seinen Anfang nimmt.  

Rund achtzig Buchseiten hat Kuper allein seiner Jugendzeit in der Tauberstadt gewidmet. Das war nicht nur dem „Spiegel“ Artikel wert und manches aus dem Verlag hat bis heute Kultstatus. Peter Kuper ist leider schon 2008 verstorben, doch sein Berliner Verleger Jörg Schröder, 78, bleibt zusammen mit seiner Partnerin Barbara Kalender rastlos und macht durch ausgefallene Verlagsprojekte und Editionen von sich Reden. Die Erzählungen Kupers hütet er wie einen Schatz, der längst vergriffene „Hamlet“ (1980 erschienen) soll jetzt nochmal aufgelegt werden.

Kupers O-Töne

„Peter Kupers O-Ton-Erzählungen über die Jugend in Rothenburg waren so ausufernd wie die Gespräche insgesamt. Aus zirka 4000 Seiten Transkription habe ich den Text als über 500-seitige Endfassung niedergeschrieben” sagt uns Jörg Schröder auf Nachfrage. Ausgangsmaterial waren stundenlange Tonband-Interviews, sechs Wochen unterwegs auf Frankreich-Tour. Seine Erst-Begegnung 1973 mit Kuper, der sich Hamlet nannte, schildert er in einem Buchanhang so: „Diese dünne Figur, damals noch die langen blonden Haare unter dem schwarzen Hut, die dicke Brille, der Django-Leinenflattermantel, dieser merkwürdige Gang, leicht gebeugt, zwischen Orang-Utan und Neger-Tiger-Gang, ich dachte mir damals, entweder ist dieser Typ blöd oder er ist wirklich ein Typ!”  Schnell erkannte er, dass es ein einmaliger Typ ist.

Liebling der Soldaten

Derjenige, den er so beschreibt, war mal das Büblein Peter Kuper aus der Mergentheimer Straße, das am Brauhausgelände vor dem Klingentor den US-Einmarsch erlebte und Liebling der schwarzen Soldaten wurde. „Da habe ich den ersten Neger gesehen, den Wagenländer vom Gasthaus gegenüber hat er angeschrieen und den Karabiner in die Brust gehauen, dann haben die sich die ersten Biere gezapft“. Die facettenreiche „Karierre“ Kupers begann später als Jüngling in der wilden Frankfurter Szene.

Als Dreijähriger kam er 1939 mit den Eltern das erstemal in die Tauberstadt, im Krieg nach den ersten Fliegerangriffen auf Frankfurt quartierte sein Vater dann die Familie bei den Großeltern in Rothenburg ein. Die Mutter Elisabeth Valentina war die Tochter des Braumeisters Seufferlein, die Familie bewohnte das Häuschen in der Mergentheimer Straße Nr. 3 schräg gegenüber dem Gasthof „Klingentor“, wo auch die Hürner-Bräu in Konkurrenz zum hiesigen Brauhaus residierte.

Der Opa war kaisertreu

Gleich eingangs kommt die Lokalzeitung zu besonderen Ehren, wenn es um das geschilderte Plumpsklo geht: „Es gab kein Toilettenpapier, der Fränkische Anzeiger wurde benutzt zum Arschabwischen, die Großmutter hat jeden Samstag Toilettenpapier gemacht und in der Küche gesessen. Sie war eine richtig nette, fränkische Frau!” Die langen Haare habe sie mit zwei wunderschönen Steckkämmen zum Kranz gebunden. Den Großvater schildert er als „lieben Opa mit preußischem Schnurrbart, einer hohen Stirn und gestreiften Anzügen”. Er habe lange den Grafen Pappenheim im Festspiel verkörpert, sei hoch angesehener Ehrenbürger der Stadt gewesen, außerdem auch noch Hasenzüchter und kaisertreu sowie zum Patriziergeschlecht gehörend.

Der 1936 gebürtige Peter Kuper Jahrgang erlebte Rothenburg als kleiner Junge, vor allem das Brauhausgelände mit dem schönen parkähnlichen Garten, der ihn begeisterte und dem Gasthof Wagenländer gegenüber. Auf der Straße seien Pferdeäpfel gesammelt worden, „wenn von der Schlosserei Goller (direkt neben dem Gasthof) oder von der Hürner-Brauerei Ansbach die Fuhrwerke kamen und das Faßbier gelagert wurde“.

Erinnerungen

Sein Opa stirbt bald und so wächst der Junge mit der Großmutter und einem Dienstmädchen namens Lotte auf, das von Frankfurt mitgeschickt worden war. Spielkameraden fehlten ihm, aber seine Welt war umso mehr das Gartenhäuschen mit Weinlaube und das Brauhaus. Auf Spurensuche wird uns bestätigt, dass das Häuschen tatsächlich einer Familie Seufferlein gehört hat und nach dem Krieg an den Maler Ohr vermietet wurde, der es dann kaufte. Dessen Tochter aus München ist in das Elternhaus als Ruheständlerin zurückgekehrt, und sie erinnert sich sogar noch an den Besuch eines jungen Herrn Kuper.

Während Kupers Buch nicht gerade jugendfrei ist, wenn es um das wilde Sex- and Crime-Leben in der Mainmetropole geht, sind die Rothenburg-Episoden manchmal sogar romantische Szenen einer frühen Jugend. Und einiges läßt sich als aufschlußreiche Augenzeugenberichte vor allem zum Kriegsende lesen.

Theater- und Filmstoff ließe sich aus dem Werk entwickeln. Der aus Osnabrück gebürtige Vater war Mitte der dreißiger Jahre als Journalist nach Rothenburg gekommen, um eine Reportage zu schreiben. Geschildert ist die zufällige romantische Begegnung im Burggarten mit einer hübschen Frau „groß und stattlich, 24 Jahre alt”, die er anspricht und  zum Essen ins Weinhaus Nusch einlädt.

Es war Elisabeth Valentina Seufferlein, Tochter des Braumeisters vor dem Klingentor, die sich mit dem noblen Großstädter eingelassen hat, obwohl August Kuper noch verheiratet war und zwei Töchter hatte. Aber die junge Rothenburger Geliebte erhielt bald ein Bahnbillett 1. Klasse nach Berlin. Daraus wurde die Ehe, nachdem sich August Kuper scheiden ließ und gut neun Monate nach dem Berlin-Besuch wurde geheiratet, sechs Wochen vor der Geburt von Peter Kuper, der am 9. November 1936 zur Welt kam.

Sein Vater August Kuper wurde 1942 als Sozi wegen oppositioneller Umtriebe in Berlin verhaftet, im Gestapo-Keller in der Prinz-Albrecht-Straße brutal vernommen und dann ins KZ nach Buchenwald gebracht, wie dem Buch zu entnehmen ist. Schon 1943 ist er entlassen worden. Peter Kuper: „Er hat nie darüber gesprochen, aber ich glaube das geschah auf Fürsprache irgendeines Propagandatiers“.

Berichte wie die Wehrmacht und SS den Felsenkeller (in dem das Eis vom Lindleinsee gelagert wurde) beschlagnahmt haben, wie er als Bub einem gefangenen Russen ein Stück Brot geben wollte und es ein SS-Mann in den Schlamm getreten hat, geben ebenso Zeitgeschichte wieder wie der Hinweis auf eine Marktplatz-Festspielaufführung unter Hakenkreuzfahnen. Kurz vor Schluß durfte er noch „Pimpf“ werden und freute sich über ein HJ-Fahrtenmesser.

Seltene Intensität 

Peter Kuper erzhält vom Bombenangriff, bei dem man anderthalb Stunden im Felsenkeller ausgeharrt hat. Und es gibt spannende Geschichten zum Einmarsch der Amerikaner am 17. April 1945. Und wie Soldaten bald aus dem Gasthof zum Klingentor einen umtriebigen US-Army-Club machten. Die ausgebombten „Tante Meider und Onkel Willi“ seien bei den Großeltern einquartiert worden. Und man erfährt, dass Lotte, das Dienstmädchen, von Amerikanern mehrfach vergewaltigt wurde.

Das Buch „Hamlet“ wird 1980 im SPIEGEL ausführlich beschrieben. Es handle vom „amerikahörigen Leben, das trotz Chevrolet-Diebstähle und Gefängnis nichts mit protziger krimineller Exotik zu tun hat, sondern das als Ausdruck einer unbezwingbaren Vorliebe  wie anderer Leute Passion für Briefmarken erscheint”. Wenn er nicht gerade einsitze, sei Kuper pausenlos unterwegs in Frankfurts Nutten und Zuhälterbars…

„Hamlet“ verdanke sich dem Zufall, dass sich die Wege des März-Verlegers Schröder mit dem verrückten Kuper kreuzten. Ein Buch, das vor Erleben und Abwechslung zu bersten scheine. „Eine Nachkriegsgeschichte von seltener Intensität“ urteilt ein Leser. Und eine mit faszinierendem Rothenburg-Bezug noch dazu.        rolf diba

1 KOMMENTAR

  1. Ich kannte Hamlet
    Ein netter, supergelaunter Typ, bei dem man immer den Eindruck hatte,daß noch Restbestände von LSD
    wirken
    Ich bin 15 Jahre jünger als Hamlet und habe auch eine bewegte Miliueuzeit hinter mir mit
    Ossi Büttner, Aki, Ebby,Hako und viele Ehrenwerte Herren
    Hamlet wollte ein Buch über mein Leben schreiben
    Leider ist er dann verstorben RIP
    Ich denke oft an Ihn
    Diamanten Henry

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