Ist das Krankenhaus von heute noch zukunftsfähig?

Ist das Krankenhaus von heute noch zukunftsfähig?

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Demonstranten fragen: Gesundheitszentrum getarntes Kliniksterben? Foto © rolf diba

ROTHENBURG OB DER TAUBER -„Das Rothenburger Krankenhaus – ein Gesundheitszentrum?“ lautete die kritische Frage einer Podiumsdiskussion des Fördervereins Mediroth, auf die über 500 Besucher in der Reichsstadthalle klare Antwort vom Anregiomed-Vorstand erhofften.  Was man bekam war ein Bekenntnis zu den drei Standorten im Ansbacher Krankenhausverbund, aber keine längerfristig verbindlichen Aussagen. Angesichts eines „revolutionären Umbruchs“ im Gesundheitswesen halten sich Krankenhaus-Manager ebenso wie kommunale Träger lieber mit Zusagen zurück. Vor der Halle hielten Klinik-Bedienstete Protesttafeln hoch und drückten ihre Sorge aus. Ein Gesundheitszentrum wird angestrebt – entscheidend ist wie es aussieht und was an stationären Einrichtungen bleibt. Und ob der kommunale Träger das hohe Defizit weiter übernimmt.

„Krankenhaus statt Gesundheitszentrum –Wir sind kein Einkaufszentrum!“  und „Patient vor Profit“ stand auf großen Tafeln, mit denen die Besucher empfangen wurden. Manche befürchten unter dem Schlagwort „Gesundheitszentrum“ ein „getarntes Kliniksterben“. Die Halle reichte nicht aus, viele Hohenloher waren gekommen, die Württemberger machen bis zu 30 Prozent der Patienten in Rothenburgs Klinik aus, die einen sehr guten Ruf genießt. Die neue kaufmännische Direktorin Amelie Becher sprach von einer Belegschaft, die „mit Leidenschaft und Herzblut bei der Arbeit ist“.

Moderator Pfarrer Herbert Dersch vor dem Podium. Foto © rolf diba

Fördervereins-Vorsitzender Hans-Peter Nitt lobte die „engagierten Krankenschwestern, Pfleger und Ärzte“. Die von Rothenburg ausgehende bundesweite Online-Petition gegen das Krankenhaussterben auf dem Land ist mit bereits 52.000 Unterschriften erfolgreich und wird beim Petitionsausschuss des Bundestages eingereicht. Mit dem ehemaligen Wildbad-Leiter Pfarrer Herbert Dersch hatte man einen ausgleichenden Moderator. Dass nur schriftlich eingereichte Fragen zur Auswahl zugelassen waren, enttäuschte das Publikum und so blieb eine dem heiß diskutierten Thema angemessene, spontan geführte Saaldiskussion nach Einleitungsreferaten zwangsläufig aus. 

Druck von allen Seiten – Verbund als Chance

Noch nicht mal zwei Jahre ist Dr. Gerhard Sontheimer als Sanierungs-Manager des Anregiomed-Verbundes (Ansbach mit 360, Rothenburg mit 165 und Dinkelsbühl mit 145 Betten) tätig. Er verweist auf den Druck von allen Seiten: eine sich überschlagende Gesetzgebung, den Anforderungen der Krankenkassen, das Krankenhaussterben und weitere Konzentrationen. Die einzige Chance, neben dem größten Haus in Ansbach die beiden Grundversorgungs-Standorte Rothenburg und Dinkelsbühl zu erhalten, sieht er in einem starken Verbund, der als ein gemeinsames Haus zu betrachten sei wie dies der bayerische Krankenhausbedarfsplan ausdrückt. 

Die über 500 Plätze der Reichsstadthalle reichten nicht aus, etliche Besucher mußten draußen bleiben. Foto © rolf diba

 Auch Rothenburgs Oberbürgermeister Walter Hartl (im Verwaltungsrat der Klinik) sieht keine drohende Schließung. Das sei auch nicht Auslöser der Petition, sondern es gehe darum, welche Medizin künftig noch wo angeboten werde. Die Vorstellungen der Kassen und Studien, die Kliniken ab 500 Betten forderten, sprächen für sich. Drohende Erhöhungen von Behandlungs-Fallzahlen könnten Fach-Abteilungen zur Schließung zwingen. Die Politik müsse aber „gleichwertige Lebensbedingungen in Stadt und Land schaffen.“

Dr. Rainer Hoffmann sieht die Klinikversorgung in der Fläche bedroht. Fallpauschalen würden für eine Aufteilung „in lukrative und weniger lukrative Patienten“ sorgen. Krankenhäuser der Grundversorgung hält er auf dem Lande für unerläßlich. Es gehe um Besuchsmöglichkeiten für Ältere, die Notarztversorgung, die Notfallambulanz, aber auch um Fachärzte, die oft von Kliniken ausgebildet werden und dann eine Praxis vor Ort übernähmen.  Immerhin sei der Rothenburger Klinik ein Sicherstellungszuschlag von 400.000 Euro zugesagt. Krankenhäuser der gut gefächerten Grundversorgung hält er auf dem Lande für unerläßlich.  Auch würden Infrastruktur und Wirtschaftsstandort gestärkt. 

Hans-Peter Nitt und Dr. Rainer Hoffmann (rechts) befragen Dr. Sontheimer (am Mikro). Foto © rolf diba

In der Fernsehsendung „Hart aber fair“ hatte Dr. Hoffmann die Forderungen der Petition vertreten. Er sieht ein Krankenhaus der Grundversorgung schnell in roten Zahlen, „es sei denn, es kann besser vergütete spezielle Leistungen erbringen wie z. B. in Rothenburg die Kardiologie mit Herzkatheter und die Orthopädie mit Gelenkersatz“. 

So lokal wie möglich, so zentral wie erforderlich

Von den bei Anregiomed-Gründung 2013 erhofften Synergien habe er bei seinem Antritt letztes Jahr noch sehr wenig gemerkt, so Sontheimer. Dafür seien Defizite von 10 bis 20 Millionen jährlich eingefahren worden, die nötige Strukturreform nicht mal ansatzweise erkennbar gewesen. Ihm gehe es um die „Sicherstellung einer angemessenen, hochwertigen, langfristig ausgerichteten medizinischen Versorgung in Stadt- und Landkreis Ansbach“. Das bedeute jedoch nicht „alles Machbare und Wünschenswerte und dann noch gleichzeitig an allen Standorten!“ Das neue Konzept  verfolge die Stabilisierung der Standorte durch Nachbesetzung wichtiger Chefarztpositionen, dezentrale Verantwortung, kaufmännische Direktoren in jedem Haus „nach dem Prinzip alles so lokal wie möglich und so zentral wie erforderlich!“ 

Was  mit dem Ärztemangel begonnen habe, setze sich mit einem Mangel an Pflegekräften fort: „Früher haben wir um Patienten gekämpft, jetzt ums Personal“. Das Krankenhaus der Zukunft sei „spezialisierter, zentralisierter, ambulanter und vernetzter.“ Lösungen wie in Dänemark mit Großkliniken, die bis 150 Kilometer Anfahrt nötig machten, seien in Deutschland aber nicht denkbar. Die Frage laute, ob das Krankenhaus von heute noch zukunftsfähig ist. 

„In Richtung Gesundheitszentrum entwickeln“

Nach langen, fachspezifischen Aussagen wurde das Publikum ungehalten und es gab Zwischenrufe, doch endlich zum Kern-Thema zu kommen. Anregiomed biete an allen Standorten „hervorragende Ausgangspositionen“ um die Vernetzung ambulant und stationär hinzubekommen unterstrich Dr. Sontheimer und kam zum zentralen Punkt: „Wir werden perspektivisch im Jahr 2020 damit beginnen in Dinkelsbühl, in Rothenburg, aber auch in Ansbach, uns zu entwickeln in Richtung eines interdisziplinären Gesundheitszentrums“. Das bedeute mehr Verknüpfung von stationärer und ambulanter Behandlung, enge Zusammenarbeit, Austausch von Personal und technische Anbindung, dazu käme weitere Spezialisierung im Verbund. Ebenso die Einbeziehung der medizinischen Versorgungszentren (MVZ), ferner sei die Ansiedlung von Fachärzten im Krankenhaus-Umfeld wünschenswert.

OB Walter Hartl, Amelie Becher, Dr. Gerhard Sontheimer, Dr. Rainer Hoffmann, Hans-Peter Nitt. Foto © rolf diba

In Rothenburg habe man einiges erreicht, neue Ärzte seien bereits eingestellt, man biete weiterhin gute Leistungen in den Fachabteilungen Innere, Chirurgie, Gynäkologie mit Geburtshilfe und der Kardiologie als spezialisiertes Angebot. Aber durch Personalprobleme seien die Wirtschaftszahlen jetzt auch am Standort Rothenburg eingebrochen.

Die vom Moderator vorgebrachten gebündelten Fragen führten kaum zu weiteren Erkenntnissen. Es ging unter anderem um den Notarztdienst und die Akutversorgung. Der Personalmangel, so Sontheimer, führe hier dazu, dass Leistungen bei der Rettungsleitstelle zeitweise abgemeldet werden müßten; man tue aber alles, was man mit vorhandenem Personal schaffen könne. Die Bettenzahlen würden allgemein weiter sinken. Die Vermutung, man wolle alles nur noch auf Ansbach ausrichten, sei falsch. 

Er nehme von der Diskussion mit, so Mediroth-Vorsitzender Nitt „dass es technisch unglaublich vorwärts geht, aber gleichzeitig das Menschliche ein bisschen auf der Strecke bleibt“. Der Förderverein habe mit über 200.000 Euro zur Ausstattung der Rothenburger Klinik beigetragen und werde das Haus weiter unterstützen. In der Bilanz des Abends sah man das Bekenntnis zum Erhalt aller drei Standorte als wesentlich an.  Bei dem „Wie“ bleibt es sehr spannend. Unter den Besuchern waren unverändert viele kritische und skeptische Stimmen zu hören. Zu groß bleibt die Unsicherheit, was hinter den Aussagen wirklich steht und vor allem, was bei einem Gesundheitszentrum vom klassischen Krankenhaus noch übrigbleibt.

ROLF DIBA

PS Siehe auch Kommentar „Klinik-Definitionen“. Klicken Sie auf das Video-Zeichen unten für einen lebendigen Eindruck von der Mediroth-Veranstaltung. 

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