ROTHENBURG – Mit den November-Schließungen wegen Corona hätte man noch eingermaßen leben können, aber ohne Weihnachtsgeschäft wird es nicht nur für die Hotellerie katastrophal. Trotzdem setzt man auf „Rothenburg als Weihnachtsstadt” mit vielen Angeboten und das erste Advents-Wochenende zeigte, dass die Tagesbesucher überraschend zahlreich kommen.
Mit einem Rückgang von rund 55 Prozent bei Rothenburgs Gästeankünften ist die Tourismus-Branche freilich am Boden. Doch es geht längst um die Wirtschaft insgesamt. Dr. Jörg Christöphler (für Tourismus, Kunst und Kultur zuständig), sieht auch für den Einzelhandel schwarz. Eine um zwei Drittel geringere Bruttowertschöpfung in der Stadt sorge dafür, dass mindestens 90 Millionen Euro fehlten. Christöphler: „Das wird nicht dabei bleiben, es kommt alles noch schlimmer!”
Hört man sich in der Stadt bei Hotel- und Restaurant-Besitzern und im Handel um, so gewinnt man den Eindruck, dass sich die Stimmung gegenüber der ersten Schließungsphase im März/April verändert hat. Immer mehr Leute ärgern sich über die jüngsten Maßnahmen der Regierung. Gastronomen und Gäste fragen, ob es nicht vertretbar gewesen wäre die gut umgesetzten strengen Verhaltensregeln vom Oktober fortzuführen.
„Jetzt zeigt sich wie wichtig die Besucher aus der Umgebung sind”, unterstreicht Christöphler, womit er vor allem an die fränkisch-hohenlohische Region, das traditionelle Einzugsgebiet der Reichsstadt denkt. Man kann nur noch auf sie setzen, wenn sich Rothenburg nun als „Weihnachtsstadt“ vermarktet und versucht ohne Reiterlesmarkt und großes Kulturangebot wenigstens mit ein paar Verkaufsbuden, Straßenverkauf der Restaurants sowie einladenen Fachgeschäften zu punkten. Der Weihnachtsschmuck in den Gassen fällt sogar umfangreicher als üblich aus. „Wir hoffen auf die Tagesgäste, die einen Ausflug nach Rothenburg machen”, sagt auch die Vorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbandes, Marion Beugler. Das bescheidene Weihnachtsstadt-Konzept hält sie für wichtig und „sei es nur als ein Zeichen”.
Von Rekordjahren ins tiefe Minus
Dafür sank der Auslandsanteil um 77 Prozent bei den Übernachtungen und 78 Prozent bei den Gästeankünften. Der Überseemarkt fehlt fast ganz und es wird lange dauern, ehe er zurückkommt, befürchtet Jörg Christöphler. Vom amerikanischen und asiatischen Markt bleiben im Schnitt noch um die 10 Prozent übrig. Die Hauptmärkte Japan mit fast 43.000 und die USA mit rund 55.000 Übernachtungen letztes Jahr, haben 2020 zwischen 84 und 92 Prozent verloren.
Da freut man sich geradezu über nur 28 Prozent Rückgang bei den Holländern (2019 waren es noch 24.079 Übernachtungen). Das europäische Ausland ist für Rothenburg jetzt besonders wichtig und wenn entwicklungsfähige Märkte wie Italien mit minus 80 Prozent, die Schweiz oder Dänemark mit jeweils um die 50 Prozent nach unten zu Buche schlagen, so summiert sich das auch bei geringeren absoluten Zahlen zu einem gewaltigen Rückgang mit Folgen für viele andere Branchen in der Stadt. Manche erkennen erst jetzt was das für ein Netzwerk ist, in dem sich Gastronomie, Handel und Handwerk gegenseitig stärken.
Am ehesten kehren US-Amerikaner zurück
Der Tourismuschef ist sicher, dass viele Märkte Jahre brauchen werden, „um wieder zurückzukommen”, manche wie Spanien würden sogar „auf lange Sicht wegfallen”. Es werde sich vieles nach Corona verändern. Die Japaner z.B. dürften laut Christöphler den Europäern noch mehr an hohen Standards abverlangen, worauf etliche Hotels nicht eingestellt seien. Hoffnungsvolle neue Märkte wie Brasilien steckten selbst in der Krise. Am ehesten traut er der US-Wirtschaft ein Erstarken zu: „Die Amerikaner werden die ersten sein, die zurückkommen.” Dass aber nach Corona gleich alle wieder nach Europa reisen und Rothenburg an seine früheren Rekordzahlen anknüpfen könne, müsse man vergessen. Die Erholung dauere lange.
Auslastung sinkt auf rund 30 Prozent
Die 55 Hotels und Gasthöfe mit Pensionen bringen es auf 2618 Betten, insgesamt erreicht das Beherberungsgewerbe fast 3000 Betten im 11.500-Einwohner-Ort. Die Auslastung sinkt im Schnitt auf rund 30 Prozent oder noch tiefer im ganzen Jahr 2020. Das wichtige Geschäft mit langfristig geplanten Reise-Gruppen existiert nicht mehr, stellt Marion Beugler fest. Bundesweit habe das HoGa-Gewerbe nur 0,3 Prozent Anteil am Corona-Infektionsgeschehen, die Schließung bringe folglich kaum einen Effekt, kritisiert sie. Ein kurzzeitiges Öffnen wie eventuell zu Weihnachten hält der bayerische Gaststätten-Verband für realitätsfremd, das rechne sich schon allein wegen des Logistikaufwandes nicht.
Den Rothenburg-Besucher erwarten im Dezember in der Altstadt nur sieben Verkaufsbuden am Marktplatz und vor der Jakobskirche (ohne Imbiß oder Ausschank). Mit weihnachtlichem Schmuck und Straßentheken der Gastronomie sowie einem engagierten Fach-Einzelhandel entsteht so ein bisschen Altstadt-Weihnachtsatmosphäre, was bei den Tagesgästen auch gut ankommt.
Den Tourismuschef ärgert „die Hinhaltetaktik der Politiker“. Ein Fünftel der örtlichen Geschäfte würden vermutlich nicht überleben, prognostiziert er. In der Herrngasse verkündet bereits ein familiengeführtes Fachgeschäft die Betriebsaufgabe. Die Schaustellerbranche sei am Ende. Kritisch merkt er an: „Man hat sich zu lange den Luxus geleistet, manchmal etwas verächtlich auf die Touristen zu schauen!” Jetzt zeige sich, was deren Ausbleiben bedeute.