Sein Vorbild bleibt

Sein Vorbild bleibt

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Alfred Ledertheil @ rolf diba
Alfred Ledertheil @ rolf diba

Trauer um Alfred Ledertheil

„Städte sind Stein geworden Geschichte. In zwölf Jahren wurden diesen Geschichtszeichen einige weitere hinzugefügt. Und wenn es wahr ist, dass diese Steine auch gleichzeitig Prägestöcke sind, die der Zukunft vielleicht ein kleines Zeichen hinzufügen, dann wünsche ich mir, dass die Steine, die in meiner Amtszeit gesetzt wurden, glückliche Zeichen sein mögen.“

Der Kommunalpolitiker Alfred Ledertheil, der diese Worte bei seiner Verabschiedung als Oberbürgermeister sagte, hat in dieser Stadt, für die er bis zur letzten Minute tätig war, viele bleibende Zeichen gesetzt. Er starb am 29. Januar im Alter von 63 Jahren im Rothenburger Krankenhaus. Angesichts seiner schweren, sich seit langem hinschleppenden Krankheit war es für ihn eine Erlösung.

Rothenburg verliert in Alfred Ledertheil eine der herausragenden Persönlichkeiten nach dem Kriege. Sein Wissen, sein Sachverstand, seine oft bis zur absoluten Unnachgiebigkeit gesteigerte Hartnäckigkeit, vor allem aber sein konkretes Denken und Handeln hätten ihn sicher zu höheren Ämtern befähigt. Er aber empfand es als Auftrag und Auszeichnung, in einer Stadt wie Rothenburg zum Oberbürgermeister gewählt zu werden.

Am 26. April 1928 wurde er in Nürnberg geboren. Vom Elternhaus geprägt wuchs er in Arbeiterkreisen auf, mußte sich sein Studium selbst verdienen und erfuhr am eigenen Leib die Not der Nachkriegsjahre. Als Oberrealschüler hatte man ihn noch für wenige Wochen zum letzten Aufgebot der Wehrmacht des Dritten Reiches geholt.

Im Sozialistischen Deutschen Studentenbund in Erlangen betätigte sich Alfred Ledertheil erstmals politisch, wobei ihn sein Weg aus tiefer Überzeugung in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands führte. Rechtsreferendar und Anwaltsassessor in Nürnberg, Angestellter beim Straßenbauamt Ansbach, Regierungsassessor bei der Regierung der Oberpfalz in Regen waren Stationen der beruflichen Entwicklung.

Mit 35 Jahren wurde Ledertheill 1964 als Nachfolger von Dr. Lauterbach zu einem der jüngsten Oberbürgermeister Deutschlands gewählt. Zur Überraschung des bürgerlichen Lagers schlug er mit 151 Stimmen Vorsprung seinen Gegenkandidaten Dr. Rittelmeyer, der von CSU, FDP und FRV nominiert worden war. Die Daseinsvorsorge für den Bürger in fundamentalen Dingen, eine städtische Infrastruktur, die allen und nicht nur einigen Interessens- oder Wirtschaftsgruppen zugute kommt, lag Alfred Ledertheil am Herzen: „Im Rathaus kann und darf man keine Parteipolitik treiben“ und „Ich sehe mich verpflichtet, meine Meinung auch dann offen zu bekennen, wenn es für die eigene Partei unangenehm sein sollte!“

Diese Haltung hat er täglich gelebt, auch wenn gute Parteifreunde manchmal darüber erschrocken sind. Nicht immer hatte er eine glückliche Hand im Umgang mit anderen. Wo es ihm um die Sache ging, scheute er sich auch nicht davor, Leute vor den Kopf zu stoßen. Vor allem gegen Ende seiner Amtszeit als Oberbürgermeister brachte er sich selbst oft unnötig um Sympathien.

Politische Dilettanten waren nie seine Partner, egal welcher Partei sie angehörten. Ledertheil schlug sich auch als Oberbürgermeister und Stadtrat oder Kreisrat in der politischen Sachdebatte am liebsten mit Leuten, die dagegenhalten konnten und Rückgrat bewiesen. Reaktionäres Gedankengut war ihm ein Gräuel. Toleranz und Zugeständnisse ja, Bequemlichkeit nein – den Politiker Ledertheil hat es nie interessiert, ob er in einer Abstimmung einsam unterlag, er beharrte auf einmal gewonnenen Überzeugungen und versuchte rhetorisch gekonnt, die Mehrheit zu gewinnen.

„Ich habe gekämpft und verloren bei der Kreisfreiheit, der Verstaatlichung der Stadtpolizei, der Bildung eines Landkreises um die Stadt und der Erhaltung der Zentralität, beim Abzug der Ämter und dem Verlust von Arbeitsplätzen,“ resümierte er in seiner OB-Abschiedsrede. Er konnte aber auch erleben, dass viele von den befürchteten Nachteilen doch nicht so krass eingetreten sind.

Der junge SPD-Oberbürgermeister hat vor allem in der ersten Hälfte seiner zwölfjährigen Amtszeit (1970 unterlag der CSU-Bewerber Dr. Schwaabe) Grundlagen für die Entwicklung der Stadt geschaffen. Kläranlage und Kanalisation, bessere Energieversorgung mit Ferngas, der Neubau von Schulen, die Planung des Wohnbaugebietes Bleiche, das Schwesternwohnheim, Sportstätten mit dem Hallenbad, der Ausbau des Spazierwege-Netzes mit vielen Kinderspielplätzen, die Stadtbücherei, die Renovierung der Altenheime, Parkplatzbau und der Einsatz für die Bundesautobahn als Voraussetzung für neue Arbeitsplätze sind zu nennen.

Alfred Ledertheil hat aber auch kraft seiner Persönlichkeit die weltberühmte Fremdenverkehrsstadt überzeugend repräsentiert und er hat sich mit seiner geradlinigen Art weit über den Landkreis und Bezirk hinaus im politischen Leben einen Namen gemacht. An seiner kommunalpolitischen Kompetenz ließen auch seine parteipolitischen Gegner keine Zweifel. Der Respekt Andersdenkender war ihm sicher. Viele, die im politischen Leben stehen, haben von Alfred Ledertheil gelernt.

Wo andere um die Sache herumredeten, brachte er die Dinge auf den Punkt. Er nahm kein Blatt vor den Mund, wenn es galt, Interessen zu entlarven, die sich nicht am Gemeinwohl der Stadt orientieren. Dabei bereitete es ihm manchmal sichtlich Spaß zu überspitzen, mit ironischen Äußerungen den Bogen zu überspannen.

Dass Alfred Ledertheil die für ihn schmerzliche, möglicherweise vermeidbare Wahlniederlage von 1976 gegen Oskar Schubart (CSU) wie ein guter Demokrat hingenommen und seine Kraft bis vor wenigen Tagen als Stadtrat und als Kreisrat eingesetzt hatte, unterstreicht, dass sein politisches Handeln nie auf Augenblickserfolge ausgerichtet war. Es ist müßig an dieser Stelle Auszeichnungen und Funktionen aufzuzählen, Ledertheils Persönlichkeit war nie auf solch verliehenen Attributen begründet.

In der ihm eigenen ironischen, bisweilen auch sarkastischen Art, hat er seinem Tod seit über einem Jahr ins Auge gesehen. Seine Konsequenz war nicht Resignation, sondern Weiterarbeiten, das Leben bewußt zu Ende leben. Alfred Ledertheil fehlt in dieser Stadt. Persönlichkeiten wie er lassen sich nicht ersetzen. Was bleibt, ist sein Vorbild als Politiker.

ROLF DIBA am 29.1.1992 im Fränkischen Anzeiger

Tonsequenz aus Interview mit Alfred Ledertheil vom 25. Mai 1978, © rolf diba

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