SCHILLINGSFÜRST – „Der Lazl vo dem Hopf um den Gori, wo der mant, den ko er schefte losse, i baschn nowes um den Pich!” Selbst im dialektgeprägten fränkisch-hohenlohischen Land dürfte die komplette Übersetzung kaum jemandem gelingen. Kein Wunder, denn es ist dem Schillingsfürster Jenisch entnommen, einer Geheimsprache vor allem des fahrenden Volkes, das sich nach 1750 auf der Frankenhöhe ums Schloß ansiedelte. Sprache und Leben der jenisch Sprechenden sind neuerdings in einem kleinen Museum dokumentiert, das zwei Jenisch-Anhänger ehrenamtlich geschaffen haben.
Die Lehrer Markus Löschel und Johannes Munique sind die Initiatoren, die noch einiges vorhaben, wenn es um die Pflege des jenischen Kulturguts geht. Und sie übersetzen locker den zitierten Spruch: „Das Schaf von dem Bauern, um das Geld, das der meint, das kann er sein lassen, ich kaufe es ihm nicht ab um den Preis”. Entnommen ist dies dem 1973 erschienen Büchlein von Edith Nierhaus-Knaus über das Schillingsfürster Jenisch. Zu dieser Zeit gab es noch mehrere Jenisch-Sprecher in der Schloßstadt und sogar einen Stammtisch, aber das ist vorbei. Es gibt niemanden mehr, dem die Sprache aus der Familie weitergegeben wurde. Dabei wurde sie früher nur mündlich zur nächsten Generation übermittelt.
Unterscheidung zu Jenischen
Zum Grund-Verständnis gehört die deutliche Unterscheidung zwischen der jenisch sprechenden Bevölkerung (wie in Schillingsfürst) und der ethnischen Volksgruppe der Jenischen, von denen es angeblich noch bis zu 100.000 vor allem im deutschsprachigen Raum geben soll. „Mag sein, dass bei uns auch jenische Volksgruppenangehörige anfangs darunter waren, aber da haben wir keine Kenntnis”, erläutert Johannes Munique.
Vor Jahren hatten die beiden Jenisch-Fans die Idee das Schillingsfürster Kulturgut zu dokumentieren. 2019 überraschten sie den Stadtrat mit ihrem Museumskonzept. Unzählige ehrenamtliche Stunden stecken dahinter. Das Konzept wurde jetzt im „Theaterchen“ umgesetzt – ohne städtischen Zuschuß nur aus privaten Spenden und LAG-Mitteln der EU finanziert. Das Nebengebäude des ehemaligen Amtsgerichts gehört zum Haus der Heimat mit dem Ludwig-Doerfler-Museum. Der Maler Doerfler hatte selbst noch jenisch gesprochen.
Zur Geschichte: Fürst Karl Albrecht I. wollte seine Residenz aufwerten und lockte 1757 auswärtige Handwerker an, jeder war willkommen der „keine schwere Straftat begangen hat und katholisch war”. Munique: „Denen hat der Fürst Land und Bauholz gegeben, und das waren die Leute, die jenisch nach Schillingsfürst brachten”. Sie wohnten im sogenannten„schwarzen Viertel”. Zu diesem Kreis zählten Einheimische wie Zugereiste, Maurer und Zimmerleute, Kesselflicker und Korbflechter fanden hier zusammen. Das waren oft die Ärmsten. Der Igel (Stupfl) scheint für sie eine Delikatesse gewesen zu sein. Im „Frankemer Stupfl-Fasching” wird daran erinnert und bis vor vierzig Jahren gab es tatsächlich noch richtiges Stupfl-Essen bei Schillingsfürstern.
„Unser Museum ist fundiert, aber nicht wissenschaftlich aufgebaut”, betonen Löschel und Munique. Doch es bietet eine Fülle von Informationen, Bilder, Dokumente und das meiste aus eigener Recherche. Dazu kleine Wende-Tafeln mit Dörfler-Motiven, die auf der Rückseite den jenischen Begriff enthalten. Im Alltag sind viele Wörter bis heute gebräuchlich. Das reicht vom Leimen (reinlegen) und Kniefiesl (Besserwisser) über Moos (Geld) und Mores (Angst) bis zu verkohlen (lügen) oder abnibbeln (sterben). Mäschli und Model für Mädchen sind ebenso zu hören.
Die zwölf vom Karikaturisten Robert Hellenschmidt thematisch umgesetzten Zeichnungen mit ihren Jenisch-Sprechblasen sind wie ein roter Faden und animieren zum Studium. Eine Arbeit des Karikaturisten Horst Haitzinger kommt neu hinzu. Die Fotos der Kletterer, Spausfetzer und Härtlingsbuckler (Maurer, Zimmerleute und Bauhelfer) oder vom Sprausfetzer un’ Schinagler auf’m Mantel vom Bolent” (Zimmerleute und Helfer auf dem Schloßdach) vermitteln optische Eindrücke.
Sprache war mit 50 andern Orten verbunden
Mit einer Gegenüberstellung von 1700 Jenisch-Begriffen haben Löschel und Munique sich viel Arbeit gemacht: „Der Vergleich mit den Glossaren aus Lützenhardt, Leinzell, Schloßberg, Pfedelbach und den Wortlisten aus dem Cochemer Loschen (von 1833) sowie von Kluge (1901) zeigt als neueste Erkenntnis, dass es kein typisch Schillingsfürster Jenisch gab, aber man durch die Sprache mit rund 50 anderen Orten verbunden war!” stellt Munique fest.
Schon im 13. Jahrhundert ist die Geheimsprache in Europa belegt. Mit den Sinti oder Roma haben Jenische nichts zu tun, aber sprachgeschichtlich gibt es Entlehnungen aus der „Zigeunersprache“ wie aus dem Jiddischen. Die heutige schwäbische Aussrichtung der Idiome der württembergischen Orte mache bei einem Vergleich eine „Dialekt-Bereinigung” notwendig. sagt Munique. Matzenbach und Schopfloch mit dem lachoudisch, der hebräisch beeinflussten Geheimsprache, sind in nächster Nähe ein Begriff.
Die Verfolgung im Nationalsozialismus gehört zu den traurigen Kapiteln. Der NS-Staat konstruierte aus Nichtsesshaftigkeit, Rassenlehre und Kriminalität einen Zusammenhang. Zwar waren vor allem Sinti und Roma betroffen, aber man weiß, dass im Dritten Reich Jenisch-Sprecher aus Schillingsfürst schikaniert und sogar ins Gefängnis gesteckt wurden.
Multimedia und Buch zum Museum
Künftig kann man dank einer Multimedia-Einheit auch jenisch hören oder Filme ansehen. Im Dezember erscheint museumsbegleitend ein 70-seitiges Buch im Großformat, ein eigenes Wörterbuch soll 2022 folgen. Für interessierte Schulen haben die beiden Initiatoren Lernmaterial entworfen, jenisch könnte zur Heimatkunde gehören. Ein Theaterstück auf jenisch ist schon fertig und und eine Arbeitsgruppe zum Jenischen im Gespräch. Mit anderen Jenisch-Orten bahnen sich weitere Kontakte an.