ROTHENBURG OB DER TAUBER – Man kennt die Stadt als touristisch und weltweite Berühmtheit. Dafür sorgen über zwei Millionen Besucher und nach den jüngsten statistischen Zahlen rund 564 000 Übernachtungen im Jahr 2018, ein Rekordergebnis! Aber als Industrie- und Gewerbestandort kennt man die Tauberstadt weniger, eher noch als Schulstadt mit den zahlreichen Bildungseinrichtungen.
Dabei zeigt der Blick auf die ehemals reichsfreie Stadt vor allem von Osten aus Richtung der Frankenhöhe ein ganz anderes Bild. Gäbe es nicht die immer noch alles überragenden Türme der historischen Stadtmauer und die der St. Jakobskirche sowie den Rathausturm, dann würde sich Rothenburg ob der Tauber zumindest von dieser Himmelsrichtung nicht anders zeigen wie andere Kleinstädte auch. Der die letzten zwei Jahrzehnte stark angewachsene Siedlungsbrei mit großem Flächenverbrauch verdeutlicht das moderne Rothenburg mit immer mehr Gewerbe und Industrie, aber auch große Wohnbaugebiete.
Dabei ist die Einwohnerzahl mit den baulichen und flächenmäßigen Entwicklungen keineswegs mitgewachsen, sondern war früher sogar noch rückläufig, hat dann stagniert und bewegt sich erst in den letzten Jahren leicht nach oben. In den letzten sieben Jahren sind es annähernd 400 Einwohner mehr, womit man sich insgesamt erst auf eine bescheidene Einwohnerzahl von 11 300 zubewegt, aber nun endlich einen erfreulichen Trend ausweist. Seinen Höhepunkt hat die Stadt nach dem Krieg durch die vielen Flüchtlinge mit bis zu 14 000 Einwohnern erlebt. Und man darf nicht vergessen, dass Rothenburg im Gegensatz zu allen andern bayerischen vergleichbaren Kleinstädten fast keine Eingemeindungen vorgenommen hat. Wäre das wie andernorts üblich mit angrenzenden Gemeinden geschehen, dann würde man heute bis zu 3000 Einwohner mehr ausweisen können.
Rothenburgs großes Glück sind zwei ausschlaggebende Tatsachen, die es zum Touristenort machen: zum einen die Taubertallage im Westen, von wo die Stadtsilhouette heute noch weitgehend historisch erhalten ist (einst als fränkisches Jerusalem bezeichnet), und zum andern der gelungene Wiederaufbau von vierzig Prozent durch amerikanische Bomben zerstörter Altstadt nach 1945.
Verlangt wird also das kommunalpolitische Geschick die Denkmalpflege hochzuhalten, die Altstadt zu bewahren, ihr keine weiteren Verletzungen mehr zuzufügen und das Ganze mit der Moderne zu verbinden. So wie es sich in der Bildergalerie darstellt ist es eben nur der eine Teil der Stadt – und zwar der, den die Millionen Touristen meist gar nicht kennen und höchstens bei der Anfahrt kurz wahrnehmen. Ein Spaziergang durch die alte Reichsstadt und ins Taubertal ist natürlich viel romantischer und deswegen kommen die Besucher schließlich auch nach Rothenburg.
ROLF DIBA