Die Unterschiede empfanden wohl die meisten als nicht sehr gravierend, eher die hie und da bei den Fragen auftretenden Wissenslücken einzelner Bewerber. Erstmals in der Rothenburger OB-Wahl-Historie tritt mit Martina Schlegl, 48 (für die CSU) eine Frau an. Sie stammt aus Rothenburg, ist aber Schulleiterin in Tauberbischofsheim mit politischen Erfahrungen in der CDU Main-Tauber. Gleichzeitig kandidiert sie auf Platz 1 der Partei für den Stadtrat.
Mit Dr. Markus Naser,39, präsentiert die Freie Rothenburger Vereinigung (FRV) den vor allem als Alt-Rothenburg-Vorsitzenden bekannten Landesgeschichtler (Lehrstuhl an der Uni Würzburg) aus Wolfsau bei Rothenburg, der bei den Freien auch für den Kreistag kandidiert. Mit seiner kommunalpolitischen Erfahrung möchte Dipl.-Ing. Harry Scheuenstuhl als ehemaliger Landtagsabgeordneter und langjähriger Bürgermeister sowie Kreisrat für die Sozialdemokraten an die Stadtspitze gewählt werden und möglichst zugleich in den Kreistag.
Im Foyer der Mehrzweckhalle informierten vor der Diskussion die Parteien. Außer den Genannten sind es noch die Grünen und die Unabhängigen Rothenburger (UR),wobei beide keine Wahlempfehlung abgeben. Die Grünen hatten bei den Wahlen 2006 mit Walter Hartl einen überzeugenden Bewerber ins Spiel gebracht, der sich in letzter Minute als Unabhängiger bewarb. Er wurde der Überraschungssieger und tritt nun nach 14 erfolgreichen Jahren nicht mehr an. Dass Walter Hartl eine gut aufgestellte Verwaltung sowie hervorragende Infrastruktur der Kommune hinterläßt, machte sich auch in der Diskussion bemerkbar, der es an gravierenden Streitpunkten mangelte.
Wohnungsknappheit
Als Moderator Oliver Götz das Thema Wohnungsknappheit aufrief waren sich alle einig, dass man etwas tun müsse, von „ gesunder Mischung” bei städtischen und privaten Angeboten war die Rede und Dr. Naser sieht bei der Stadtwerke GmbH die Möglichkeit neuen Wohnraum zu schaffen und so den Stadthaushalt zu entlasten. Harry Scheuenstuhl meint, die Stadt könne selbst bauen, für Mehrfamilienhäuser und Einfamilienbauplätze sorgen, aber auch genossenschaftliches Bauen sei denkbar. Förderprogramm gelte es zu nutzen und ein Leerstandsmanagement einzuführen wie Dr. Naser es gern hätte.
Zwei Fachleute sollten die Debatte beflügeln. Für den Kultureinstieg sorgte Volker Hirsch, der als Veranstalter des Taubertal-Festivals bekannt ist. Er sieht Bedarf in Kleinkulturbereich und spricht von verbesserungswürdigen Spielstätten, dies vor dem Hintergrund eines großen und sehr guten bestehenden Kulturangebotes, das es zu sichern gelte. Auch dazu wollte niemand widersprechen, lediglich beim Thema „Subkultur” hieß es, da verstehe jeder etwas anderes. Angeregt wurde ein Kulturfonds, um daraus Kleinere zu fördern. Ob man aus der Schrannenscheune eine neue Kulturstätte machen kann wird aus Kostengründen unterschiedlich gesehen.
Im Bildungsbereich möchte man die familienfreundliche Stadt weiter entwickeln, vor allem für neue Kita-Plätze sorgen. Nicht nur für Martina Schlegl als Pädagogin ist dieses Thema wichtig. Beim Campus fordert vor allem Dr. Naser, dass man einen neuen Studiengang nach Rothenburg bringt und eine ganzjährige Belegung mit Studenten erreicht. Mit Judith Overmans kam eine jugendliche Mitstreiterin der Klima-Bewegung auf die Bühne, die kritische Fragen stellte – auch hier gab es von den Bewerbern Vorschläge wie verbesserter Nahverkehr, Energiesparhäuser oder fahrradgerechte Stadt. Unterschiede mag es in der Prioritätsliste geben, wenn es um die Kosten geht.
Fachkräftebedarf, neue Arbeitsplätze und Digitalisierung wurden vom Unternehmensvertreter Klaus Lenkner auf dem Podium angesprochen. Im Wesentlichen seien es freilich die Betriebe selbst, die Innovationen voranbringen, die Stadt könne nur für Rahmenbedingungen sorgen – so unisono die Antworten. An die gute Lebensqualität, weiche und harte Standortfaktoren erinnerte Harry Scheuenstuhl, der auf bestehende interkommunale Zusammenarbeit verwies, nachdem auch Martina Schlegl das Miteinander von Stadt und Land hervorhob. Dr. Naser meinte, die Weltberühmtheit Rothenburgs könne ruhig als Standortvorteil betont werden. Es gelte Allianzen zu schließen und gemeinsam mit Nachbargemeinden Gewerbeflächen auszuweisen, die aber begrenzt seien, hieß es in der Runde.
Den Einzelhandel unterstützen wo es geht, ist Credo für die drei Bewerber. Und durch das geplante Welness- und Tagungshotel auf dem alten Brauhausgelände sollen neue Gäste den Tourismus beflügeln. Natürlich wollen alle das Rothenburger Krankenhaus in seiner jetzigen Fachausstattung dauerhaft erhalten, dafür müsse man auch im Landkreis die Mittel aufbringen. Lob gab es für die Rothenburger Online-Petition, die bundesweit erfolgreich ist.
Live-Umfragen per Handy unter Saalbesuchern ergaben, dass fast zwei Drittel die Zukunft der Stadt positiv sehen (187 Teilnehmer hatten sich eingewählt). Und am Ende sagten 45 Prozent (bei allerdings nur noch 85 Abstimmenden), an der Entscheidung für ihren Bewerber habe der Abend nichts geändert, während 26 Prozent meinten, sie hätten auf eine andere als die zuerst anvisierte Person umgeschwenkt.