Reichsstädtische Feierlaune nach 750 Jahren

Reichsstädtische Feierlaune nach 750 Jahren

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Die Proklamation der freien Reichsstadt von einer Historiengruppe inszeniert. Foto © rolf diba

ROTHENBURG – Nicht, dass in Rothenburg das Jahr über nichts los wäre – aber auch ein „touristisches Aushängeschild für Deutschland“ braucht immer wieder neue Anlässe, um Gäste anzulocken. Da sind die 750 Jahre seit der Erhebung zur Reichsstadt willkommen, um ein besonderes Jubiläumsjahr zu feiern und dieses mit vielfältigen Veranstaltungen zu vermarkten. Einer der Höhepunkte war ein Bürgerfest im Mai, bei dem an die Verleihung des Reichsstadt-Privilegs erinnert wurde Das ganze Jahr über gibt es Angebote für Touristen wie Einheimische.

Das Tourismus- und Kulturamt   hat für eine Veranstaltungsfolge gesorgt, die zum Auftakt im April einen wissenschaftlichen Teil mit einer Tagung im Wildbad bot. Unter dem Titel „Zur Modernität der Reichsstädte“ wurde mit namhaften Referenten die Bedeutung der reichsstädtischen Vergangenheit Rothenburgs und die Auswirkungen der jahrhundertelangen Unabhängigkeit auf die heutige Stadtgesellschaft untersucht. Bereits 1987 hatte das Haus der Bayerischen Geschichte München mit einer Wander-Ausstellung  „Reichsstädte in Franken“ eine Grundlage gelegt (Rothenburg, Schweinfurt, Windsheim, Weißenburg und Dinkelsbühl, bewußt ohne Nürnberg). Zur aktuellen Rothenburger Reichsstädtetagung  ist ein  Begleitband mit den Fachbeiträgen im Herbst geplant.

Gewissermaßen der folkloristische Gegenpol dazu war das abendliche Bürgerfest auf dem Marktplatz, eröffnet mit Fanfaren des Spielmannszuges. Dazwischen liegen übers Jahr verteilt Kulturveranstaltungen und die üblichen Höhepunkte der historisch  geprägten Angebote, vor allem dem Festspiel vom Meistertrunk mit großem Umzug  an Pfingsten und den Reichsstadt-Festtagen im September.

Historienfest vor 50 Jahren kreiert

Diese wurden vor 50 Jahren als Höhepunkt der  Reichsstadt-Feier zum 700jährigen von Verkehrsdirektor Rudolf Hundertschuh ins Leben gerufen. Er hatte die Idee, alle Epochen der reichsstädtischen Zeit in Historienszenen aufleben zu lassen. Es wurde 1974 auf Anhieb ein Riesenerfolg, und bis heute feiert die Stadt jedes Jahr ihre Reichsstadttage. Seit den Anfängen hat dieses Historienfest freilich einiges an ursprünglicher Orginalität verloren.

Musikalisch hat man den Bogen im Festjahr von einem Konzert im April mit Bruckners 7. Sinfonie (Akademisches Orchester Würzburg) über ein dreitägiges Freiluftereignis „Geschichte, Pop und Tanz“ im August auf dem Marktplatz bis zum Rothenburger Meisterkonzert im November mit den Nürnberger Symphonikern gespannt. Wenn man ein Jubiläumsjahr propagiert, dann fällt auch manches darunter, was sowieso laufen würde.

„Rothenburg ist bekannt für seine unvergleichliche Architektur, die bereits seit der Epoche der Romantik Menschen aus aller Welt begeistert“ betont Oberbürgermeister Dr. Markus Naser in seinem Grußwort. Früher, bei der 700-Jahrfeier im Kaisersaal, hatte der Schirmherr Justizminister Dr. Hans-Jochen Vogel, von „einer menschlichen Stadt“ gesprochen, „die den Bewohnern Halt gibt“ und  ein Gegenmodell zu gesichtslosen Orten sei. Bundeskanzler Willy Brandt (der öfter hier war) wünschte der Tauberstadt im Grußwort 1974, „dass ihr unverstaubter Charme nicht verlorengeht“.

Grundstein für Reichtum der Stadt

Über ein großes Publikum auf dem gut gefüllten Marktplatz konnte sich beim Fest der amtierende Oberbürgermeister freuen. der in seiner Ansprache sagte, die Erhebung zur Reichsstadt sei „Grundstein für die Unabhängigkeit und den Reichtum der Stadt gewesen, die über 500 Jahre lang direkt dem König oder Kaiser unterstellt war.“ Rothenburg habe nicht nur als „politisches Zentrum, sondern auch als kulturelles und wirtschaftliches Herz des Taubertals eine bedeutende Rolle gespielt“.

Dr. Naser wandte sich direkt an die Bewohner und meinte, Generationen hätten „mit ihrem Gemeinschaftssinn dazu beigetragen, dass diese Stadt auch heute noch strahlt vor Stolz auf die eigene Vergangenheit und Vorfreude auf die Zukunft!“ Der OB hob die historischen Vereine hervor, aber auch das bürgerschaftliche Engagement zum Erhalt von Denkmälern und Traditionen. Mit dem Bürgerfest richte man sich zugleich an die Bewohner des Umlandes, denn sie hätten ebenso zur Reichsstadt gehört (deren Territorium bis zu Napoleon noch weit ins Württembergische reichte).

Zum Bürgerfest-Auftakt spielt das Festspiel einige Meistertrunk-Szenen auf dem Marktplatz. Foto: Rolf Diba

Nach den Dankesworten spielte das Städtische Jugendblasorchester die Eröffnungsmusik von Karl Wüst zum Meistertrunk-Bühnenstück. Unterhaltsam führte Festspiel-Regisseur Reiyk Bergemann als Moderator durch das Bürgerfest-Programm, der  die dramatischen Szenen aus dem „Meistertrunk“ für eine komprimierte Fassung sehr „marktplatztauglich“  arrangierte.

Mit viel Beifall begrüßt wurden als ausländische Gruppe die italienischen Fahnenschwinger aus Florenz, die ihre Kunst vor dem Rathaus zeigten. Und schließlich folgte das entscheidende Ereignis als nachgespielte Szene: Die Verlesung der Urkunde mit den Reichsstadt-Privilegien wie sie König Rudolf von Habsburg am 15. Mai 1274 bestätigt hatte. Die darin garantierten Freiheiten machten die Stadt gegenüber Nachbarn unabhängig und als reichsunmittelbar nur König und Kaiser verantwortlich.
Nach einer Stunde ging es ab 19 Uhr auf den benachbarten Grünen Markt zum Feiern bei Speis, Trank und Musik, inklusive  Bierfassanstich durch den OB. Auftritte der Gauklergruppe Mummenschanz sorgten für Kurzweil bei dem ganzen Spektakel.

Weitere Ereignisse

Wie geht es im Festjahr weiter? Seit Juni bis Jahresende läuft die Sonderausstellung „Die Waffen einer Reichsstadt“ im Rothenburg-Museum (früheres Reichsstadtmuseum).   Vom 6. bis 8. September folgen dann die traditionellen Jubiläums-Reichsstadttage. Am 26. Oktober gibt es erneut eine wissenschaftliche Tagung. Thema: Der Rothenburger Pediger Johannes Teuschlein (1485 bis 1525) im Spannungsfeld von Antijudaismus, Marienfrömmigkeit, Reformation und Bauernkriege. Zum  Festjahr-Abschluß wird am 30. November ins „Rothenburger Meisterkonzert“ eingeladen.

In der Ortsgeschichte darf Bürgermeister Heinrich Toppler (um 1400) nicht vergessen werden, der das Stadtterritorium erheblich vergrößerte und erfolgreiche Machtpolitik betrieb. Auch deshalb konnte OB Dr. Naser in seiner Rede konstatieren, dass „Rothenburg viel mehr ist, als nur ein städtebauliches Gesamtkunstwerk, es ist eine lebenswerte, lebendige Stadt, in der sich die Bürgerschaft mit der Geschichte und der Rolle als Denkmalstadt besonders identifiziert“. Soweit die idealistische Sicht der Dinge, die es aber verdient, immer wieder hinterfragt zu werden.
ROLF DIBA

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