Ärzte warnen vor Schwächung der Rothenburger Klinik

Ärzte warnen vor Schwächung der Rothenburger Klinik

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Verfasser des offenen Briefes in Sorge ums Krankenhaus: die Ärzte Frau Dr. Gertrud Overmans, Jan Overmans und Dr. Wolfgang Weltzer vor ihrer Praxis in der Altstadt. Foto © rolf diba

ROTHENBURG – Könnte die Ausnahmesituation der Corona-Zeit genutzt werden, um das Rothenburger Krankenhaus so auszuhöhlen, dass am Ende nur noch wenig von der leistungsfähigen Klinik übrigbleibt? So die Sorge vier kritischer Ärzte einer Hausarztpraxis, die jetzt mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit gingen.

Der Vorstand des kommunalen Verbundklinikums Anregiomed, Dr. med. Gerhard M. Sontheimer, widerspricht dem nicht nur vehement, sondern betont  wie wichtig ihm der Erhalt aller drei Klinik-Standorte im Landkreis Ansbach sei. Der aufsichtführende Verwaltungsrat scheint ebenso die Schließungs-Gefahr nicht zu sehen. Ihm wurde am 8. Juli intern ein neues zukunftsweisendes medizinisches Konzept auf den Tisch gelegt, zu dem man sich aber noch nicht öffentlich äußern will.

Dagegen spricht der Vorstand des Krankenhausfördervereins Mediroth von einer „systematischen Schwächung der Klinik Rothenburg” und erläutert, dass Rothenburg als erhaltenswertes Haus sogar 400.000 Euro staatliche Förderung erhält. Die aber müsse innerhalb des Anregiomed-Verbundes „auch hier zum Erhalt und Ausbau eingesetzt werden”. Leider sei aber „das Vertrauen in die Anregiomed-Führung geschwunden”, machen Hans-Peter Nitt und Dr. Rainer Hoffmann für den Förderverein deutlich.

In ihrem offenen Brief brachte das Ärzteteam konkrete Bedenken vor, besonders weil für Notärzte und den Rettungsdienst das Rothenburger Haus „fast ständig abgemeldet” sei und nicht mehr angefahren werden dürfe. Sontheimer entgegnet, von „ständig“ könne keine Rede sein, aber Abmeldungen seien an allen Häusern zeitweise unumgänglich.

Notarztversorgung gefährdet

Krankenhausstandort  und Notarztversorgung seien gefährdet, so die Ärztekritik.  Die Schwächung der Rothenburger Klinik geschehe „im Irrglauben, damit das Ansbacher Krankenhaus am Leben zu erhalten” Eine These, die von den Verantwortlichen bestritten wird. Andere (darunter auch Ärzte) halten sie gar für schädlich, denn man müsse den Anregiomed-Verbund als Ganzes und die Corona-Belastung sehen. Freilich war das Ansbacher Krankenhaus mit großen Verlusten schon früher das eigentliche Sorgenkind, während z.B. Rothenburg bis vor etwa  zwei Jahren noch wirtschaftlich betrieben werden konnte.

Die Ärzte Dr. Gertrud Overmans, Jan Overmans, Aleksei Kadnikov und Dr. Wolfgang Weltzer (Gemeinschaftspraxis im Altstadtzentrum) sehen zwischen „den beschwichtigenden Erklärungen“ der Anregiomed-Leitung sowie zuständiger Politiker und der Alltags-Realität  eine immer größere Lücke. Ihre Erkenntnis: „Wir haben bisher versucht in Gesprächen mit dem Vorstand, dem Landrat und dem Zweckverband Rettungsdienst unsere Sorgen anzubringen. Gebracht hat es außer Lippenbekenntnissen nichts. Auch wenn Vorstand Dr. Sontheimer versucht, seine Kritiker per Klagen mundtot zu machen, gehen wir jetzt an die Öffentlichkeit, bevor wir eines Tages aus der Coronakrise auftauchen und verwundert feststellen, dass vom Rothenburger Krankenhaus nur noch die Immobilie steht!” Hintergrund: Sontheimer wollte kürzlich gegen kritische Leserbriefschreiber gerichtlich vorgehen, man verständigte sich letztlich aber.

Derzeit auf 100 Betten begrenzt

Die Kritiker verweisen darauf, dass von 180 Betten in Gynäkologie, Chirurgie und Innere (hier allein 80) jetzt 165 im Krankenhaus-Bedarfsplan stehen, aber tatsächlich sei man derzeit lediglich auf 100 begrenzt, wovon nur 40 aktuell auf die Innere entfielen. Die vorhandene Elektrophysiologie (EPU) sei stillgelegt und es drohe entgegen früherer Beteuerungen die Verlagerung nach Ansbach. Auch für die Kernspintomografie gebe es am Krankenhaus kein Personal mehr, ebenso für die Überwachungsstation. Es herrsche großer Pflegemangel.

Schwierige Sanierungsaufgabe für Dr. med. Gerhard M. Sontheimer, Vorstand von Anregiomed in Ansbach. Foto © rolf diba

Dr. Sontheimer setzt dagegen, die nötigen Gerätschaften würden in Rothenburg, obwohl nicht wirtschaftlich zu betreiben, weiter vorgehalten (nach dem Weggang des zuständigen Arztes), dies unterstreiche die „anhaltenden Bemühungen bei der Personalsuche”.  Die Kardiologie sei weiter fester und wichtiger Bestandteil der Inneren.

Im Pflegebereich fehle Personal und immer mehr langjährige Mitarbeiter kündigten, weil sie unter jetzigen Bedingungen nicht mehr arbeiten könnten, stellt das Ärzteteam fest. Der Anregiomed-Vorstand verweist auf intensive Personalsuche, aber man werbe Pflegekräfte nicht agressiv von andern Kliniken ab. Außerdem liege die Personal-Fluktuation in Rothenburg mit 5,8 Prozent aufs Jahr unter dem Schnitt deutscher Krankenhäuser mit 8,5 Prozent.

Vorstand will Rothenburgs Klinik stärken

In seiner sechsseitigen Stellungnahme zum Ärzte-Brief sagt Dr. Gerhard Sontheimer, er stehe zu seinem Wort, „dass der Standort Rothenburg stabilisiert und gestärkt werden muß”. Die Kritiker aber versuchten „eine nicht vorhandene systematische Schwächung herbeizureden”. Rothenburg stehe nicht außerhalb des Verbundes, sondern sei wesentlicher Bestandteil und präge „maßgeblich die Unternehmensidentität mit“. Die meisten Krankenhäuser in Deutschland litten an Fachkräftemangel. Dass Patienten für MRT-Diagnostik nach Ansbach verlegt werden, stimme nicht. Aber es sei ein durchgängiges Betreiben des vorhandenen MRTs in Rothenburg aufgrund des Personalmangels eben leider nicht möglich.

Auf die Stellungnahme der Klinikleitung, folgte diese Woche widerum eine öffentliche Reaktion der Kritiker, in der diese u.a. davon sprechen, es würden mit Aufstellung einer EPU-Anlage in Ansbach „klammheimlich Fakten geschaffen”. Auf Anfrage dazu, betonte die Pressestelle, dass dies nicht so sei, sondern man weiterhin die Elektrophysiologie in Rothenburg vorhalte, die zitierte Ausschreibung beziehe sich auf die bereits installierte Anlage in Ansbach und habe nichts mit Rothenburg zu tun. Pressesprecher Rainer Seeger: „Die auf unserer Internetseite hinterlegte Vergabebekanntmachung betrifft die bereits erfolgte Installation einer EPU-Anlage zur Ergänzung des bestehenden Linksherzkathetermessplatzes am Klinikum Ansbach.“

OB: Zuversichtlich, aber wachsam

Rothenburgs neuer Oberbürgermeister Dr. Markus Naser (er gehört weder wie sein Vorgänger dem Verwaltungsrat noch dem Kreistag an) setzt ebenso wie sein Dinkelsbühler Kollege Dr. Hammer auf den Erhalt der Klinik vor Ort im bisherigen Leistungs-Umfang. Nach seiner Kenntnis zweifle niemand im Verwaltungsrat daran, dass die drei Klinik-Standorte Ansbach, Rothenburg und Dinkelsbühl plus die Praxisklinik (ambulant und Kurzzeitpflege) in Feuchtwangen erhalten blieben. Er habe selbst mit mehreren Zuständigen gesprochen, so auch „stundenlang“ mit Dr. Sontheimer. Der OB: „Trotzdem ist ein wachsames Auge nötig!” Aus Rothenburg ist die Stadt- und Kreisrätin Gabriele Müllender (Grüne) Verwaltungsratsmitglied.

Krankenhaus Rothenburg: Bettentrakt und üblicher Eingangsbereich (wegen Corona zur Zeit verlegt). Foto © rolf diba

Spannend wird es nun mit einem medizinischen Konzept, das am 8. Juli dem Verwaltungsrat im Beisein der ärztlichen Direktoren erstmals als Grobentwurf vorgelegt wurde. Auf unsere Presseanfrage dazu, wurde vom Vorstand nichts gesagt, lediglich mitgeteilt, man nehme zu nichtöffentlichen Beratungen im Verwaltungsrat nicht Stellung. Nach unserer Recherche geht es aber um eine grundlegende Ausrichtung von Anregiomed, um überleben zu können – dies immerhin auf Grundlage der bestehenden Standorte. Letztlich ist die Frage, wieviel dem Landkreis und der Stadt Ansbach ihr defizitäres Verbundklinikum wert ist.

Was steht im medizinischen Konzept?

Gesetzliche Anforderungen, die Rolle der Krankenkassen, die Politik in Berlin und in den Ländern bestimmen im Gesundheitswesen entscheidend mit, was vor Ort möglich sein wird. Dr. Sontheimer: „Mich persönlich bestärkt die Coronakrise in der Erkenntnis, dass der Erhalt aller drei Krankenhaus-Standorte von entscheidender Bedeutung für die medizinische Versorgung von Stadt und Landkreis Ansbach ist!” Man verfüge in Rothenburg  „über hervorragende Kolleginnen und Kollegen, die sich mit hoher Kompetenz und viel Herzblut ihren Aufgaben widmen”.

Wenn diese Haltung durch das neue medizinische Konzept noch deutlicher sichtbar und öffentlich werden sollte, so dass alle Beteiligten eine gemeinsame tragfähige Basis sehen, könnte der kommunale Klinik-Verbund vielleicht doch eine Zukunft haben. Bis Jahresende wird man schlauer sein, das Projekt Anregiomed bleibt eine aufreibende Daueraufgabe, die alle Beteiligten fordert. Und nicht nur die Kritiker hoffen, dass den hehren Worten des Vorstands auch Taten folgen.
                                                                    ROLF DIBA

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Kommunalunternehmen Verbundkrankenhaus (GKU)

Um die Zusammenhänge einzuordnen muß man das Konstrukt des Verbundkrankenhauses als gemeinsames Kommunalunternehmen (GKU) des Landkreises Ansbach und der Stadt Ansbach sehen.

Die Geschäftsführung und die Sachkompetenz liegen beim Vorstand mit Dr. Gerhard Sontheimer an der Spitze, kaufmännische und ärztliche Direktoren stehen ihm zur Seite.

Nicht nur die Krankenhäuser Ansbach (Schwerpunkt), Rothenburg und Dinkelsbühl gehören dazu, sondern auch die Praxisklinik mit dem MVZ Feuchtwangen sowie weitere Medizinische Versorgungszentren zur ambulanten Behandlung. Es waren bis vor Corona 2500 Mitarbeiter bei rund 750 Planbetten im Verbund. Die rechtsverbindliche Unternehmenssatzung (Fassung von 2013) schreibt alles fest, auch die Berufsfachschule am Krankenhaus Rothenburg. Wer hier etwas ändern will braucht eine Dreiviertelmehrheit im Verwaltungsrat. Bei Auflösung oder Verschmelzung mit anderen Trägern würde letztlich der Kreistag mehrheitlich entscheiden müssen.

Aufsichtsgremium ist der Verwaltungsrat aus zwölf Mitgliedern: Landrat Dr. Jürgen Ludwig und Ansbachs OB Thomas Deffner kraft Amtes, dazu je fünf Ansbacher Stadträte und fünf Kreisräte. Politische „Gleichgewichtung” zumindest in der Zahl, in der Praxis spielen freilich unterschiedliche Interessen bei den Kreisräten mit. Die Unternehmens-Verluste tragen satzungsgemäß der Landkreis zu 70 Prozent, die Stadt Ansbach zu 30 Prozent.
ROLF DIBA

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