Freddy hat vom Zirkus gelernt

Freddy hat vom Zirkus gelernt

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Freddy Quinn @ rolf diba
Freddy Quinn @ rolf diba

ROTHENBURG – Er ist immer noch der alte, jung gebliebene Freddy Quinn wie ihn mittlerweile schon fast drei Generationen auf der Bühne bewundern. Eine Künstlerpersönlichkeit, die sich selbst treu geblieben ist, ein Star, den sein Publikum respektiert und verehrt – seit 44 Jahren! Mit der Produktion des Bayerischen Rundfunks „Weihnachten in Fanken im Zauber von Rothenburg” begeisterte er das Publikum in der Reichsstadthalle, die ein Staraufgebot erlebte: Anna Maria Kaufmann, Lena Valaitis und die „Schürzenjäger“ traten auf.

Weihnachtszauber, Lichterglanz und Glimmer, Goldgirlanden und endlos Scheinwerfer in der mit Fernsehtechnik ausstaffierten Reichsstadthalle bot den Rahmen, als am Mittwoch die Proben begannen, gestern dann die „heiße Generalprobe“ mit einer Nachmittagsaufführung vor Publikum stattfand und abends um 20 Uhr die Originalsendung aufgezeichnet wurde. Wir hatten Gelegenheit am Rande der Proben Freddy Quinn zu interviewen, der mit seinen 71 Jahren die großen Gesangstourneen als abgeschlossen betrachtet, aber als Schauspieler sich über neue Rollen freuen würde.

Leinwandstar, Theater-Schauspieler, Sänger (40 Gala-Konzerte, über 50 Millionen Schallplatten), Artist und Fernsehmoderator – Freddy steht seit rund 44 Jahren erfolgreich im Scheinwerferlicht. Dabei ist er immer er selbst geblieben, hat sich nie verbiegen lassen oder ist irgendwelchen kurzlebigen Trends gefolgt. Viele seiner Lieder, die Lebensgeschichten erzählen, sind gerade heute wieder hochaktuell. Wir fragten ihn zu seinem Leben und Beruf.

Herr Quinn, ein Mann mit solchen Lebens-Erfahrungen und einer so überzeugenden, geradlinigen Persönlichkeit wie Sie wäre eigentlich in der Politik dringend nötig.

„Ich bin nach wie vor österreichischer Staatsbürger und habe nicht das Recht mich in deutsche Politik einzumischen. Der Hauptgrund ist, dass ich durch meine Popularität sicher viele  für eine Meinung überzeugt hätte, die nicht die ihre ist. Ich bin kein Kabarettist, der politisch agiert, ich bin Unterhalter, habe aber sehr viel Geschichten aus dem Leben in meinen Liedern erzählt.  Der Titel „Heimatlos“ von 1957 hat heute eine noch viel größere Aktualität, denn wieviele Menschen wissen nicht, ob sie morgen noch ein Heim haben.

Wie haben Sie diese große Kontinuität in ihrem künstlerisch-beruflichen Schaffen erreicht, die sie bis heute so erfolgreich sein lässt?

Meine Lebenserfahrung auf St. Pauli war ganz wichtig für meinen künstlerischen Beruf, denn in den knapp vier Jahren habe ich immer auf einem Hochseil gestanden, ein Schritt nach links wäre genauso gefährlich gewesen wie nach rechts, Unterwelt oder Davidswache. Mir hat nur die Musik geholfen den rechten Weg zu gehen. In der „Washington Bar”, die man heute Szenekneipe nennen, würde,  verkehrten die High Society, Nutten und Zuhälter und wenn der Fahnder der Kripo in die Kneipe kam und wollte dass ich „singe“, also ihm erzähle, was vorgefallen ist, dann nahm ich einfach meine Gitarre und sang ihm was vor.

Freddy Quinn @ rolf diba
Freddy Quinn @ rolf diba

Sie unterscheiden sich gewaltig von vielen heutigen Stars, wie sie durch Technik und Medien in kurzer Zeit aus dem Nichts aufgebaut werden…

Das war in den Fünfzigern eine ganz andere Welt, es gab keinen Equalizer und es war schwierig etwas zu schneiden, es gab nicht die Möglichkeit aus einem total falsch Singenden einen richtig Singenden zu machen. Bei manchen nicht so professionellen Leuten heute sollten eigentlich die Techniker die Lizenz kriegen, denn die machen aus einem Frosch einen Opernsänger! Ich habe vier Jahre Schauspiel- und Gesangsunterricht gehabt und mit den besten Regisseuren gearbeitet, meinen Beruf von der Pike auf gelernt.

Für die breite Öffentlichkeit sind Sie vor allem der Sänger, aber auch Ihr schauspielerisches Können ist solide.

Wenn sie in Deutschland Erfolg haben, kommen sie in eine Schublade und da bleiben sie dann drin. Ich hab Musicals nach Deutschland geholt, Theater gespielt und Filme gedreht und meinen Weg sehr schwer erkämpft.

Sie betonen Österreicher zu sein, leben aber in Deutschland?

Ich fühle mich als Kosmopolit, wo immer ich bin könnte ich leben. Ich könnte heute in Amerika genauso leben wie in der Schweiz oder hier.

War das eine bewusste Entscheidung für Europa und Deutschland?

Ich war zweimal dran nach Amerika zu gehen, aber ich hatte Verträge. Als ich z.B. von Bert Kämpfert „Blue Spanish Eyes” bekam – er war mein bester Freund in der Branche, seit 1953, er ein Jazzer und ganz toller Musiker – haben wir in Bremerhaven getingelt in Bars für die Weißen und Schwarzen. Da haben wir uns schätzen gelernt, er war erstaunt über meine Hill Billies, meine Country-Lieder, von denen ich heute noch fünfzig auswendig kann.

Aber es wird doch nicht mehr live gesungen in unserem Zeitalter oder?

Playback ist klar beim Fernsehen, aber nicht auf einer Tournee, wo die Leute viel Geld bezahlen und dann haben die Künstler auch noch einen Monitor mit den Texten vor sich! Das kann ich weder akzeptieren noch verstehen.

In unserer schnelllebigen Zeit und medialen Welt folgt man nur noch Markt-Trends und da ist es gut, wenn wenigstens noch ein paar Leute in der Musik da sind, die authentisch auftreten. 

Na ja, es gibt nicht nur ein paar, es ist Udo Jürgens oder Peter Alexander, wenn er noch auftreten würde, die haben diese Dinge nicht gehabt. Es ist eben der Fortschritt der Technik und die Schnelllebigkeit, ich klage diese Welt gar nicht an. Mit dem Titel Heimweh war ich 36 Wochen in den Charts. Heute kommt ein Titel, dann wird abgesahnt und weltweit verkauft auf CD und DVD, aber schon morgen spricht kein Mensch mehr davon. Wer kennt heute noch „Smokie“? Bei „Take that“ wissen die meisten Jugendlichen schon nicht mehr, wer das war.

Die vielen großen Galas und Tourneen, die Sie gemacht haben, sind auch eine große Anstrengung. Wie bewältigt man das?

Ich habe 59 Städte auf meiner Tournee „Lieder, die das Leben schrieb“ bereist und stand mit 38 Titeln auf der Bühne, habe ganz allein mit einem großen Orchester und Chor gearbeitet, was heute nicht viele schaffen würden. Das ist auch eine mentale Geschichte, man muss sich innerlich motivieren.

Anna Maria Kaufmann, Freddy @ rolf diba
Anna Maria Kaufmann, Freddy @ rolf diba

Was sind denn für Sie heute herausragende Musiker und Sänger?

Da gibt es den Herrn Grönemeyer, auch Udo Jürgens als exzellenter Musiker. Aber es gibt halt viele, die für den reinen Kommerz gestylt werden, die müssen nicht singen können, machen ihr Playback, haben einen Choreograph, dann tausend Lichter und Lampen, Scheinwerfer, Projektionen, das ist ein ganz anderer Charakter, aber es ist legitim. Man muss das Publikum frei entscheiden lassen, dass sie durch Werbung und unterbrochene Berieselung beeinflusst werden ist ne andere Sache. Doch der Konsument hat das Sagen.

Suchen die Menschen nicht in der Kultur genauso wie in der Politik nach Vorbildern, nach Orientierung durch  Persönlichkeiten und haben wir inzwischen nicht eine grausam vorherrschende Mittelmäßigkeit erreicht? Liegt es vielleicht daran, dass die nachrückende Generation keine Not mehr kennt?

Das ist ja auch gut so, dass sie keine Not erlebt hat, aber sie haben nicht den Background des Tingelns, des Sich-beweisen-müssens, sie haben alle technischen Möglichkeiten. Fünfjährige besitzen schon eine Playback-Anlage. Die schweigende Mehrheit nimmt die Entwicklung hin, wehrt sich nicht.

Interessanterweise sind ja gerade die Alten jung geblieben wie man an Ihnen, Udo oder den Stones sieht.

Viele haben das nicht mehr geschafft. Wenn ich keine Lust hätte und das Publikum mich nicht akzeptierte, würde ich sofort aufhören. Nichts ist schlimmer, als wenn das Publikum schon Angst haben muss, dass man auf der Bühne umfällt. Millowitsch war zwar ein ganz Großer, aber er hätte zum Schluss nicht mehr auf die Bühne gehen dürfen. Bei aller Verehrung für Heinz Rühmann, zuletzt bei Gottschalk war er ein gebrochener 92 Jahre alter Mann. Ich geh nicht auf die Bühne um zu des­illusionieren. Da sitzen drei Generationen im Publikum und es wäre ja furchtbar, wenn die Leute sagen o Gott wie sieht denn der aus? Das war auch meine letzte Gesangstournee, wobei ich nicht Zarah Leander bin, die 25 Abschiedstourneen gemacht hat.

Hätten Sie gerne ihre Schauspielerei bei Film, Fernsehen und Theater weiter ausgebaut?

Da hab ich Vorurteile erlebt, Regisseure boten mir keine kleinere Rollen an, weil sie meinten ich würde nur Hauptrollen spielen, was gar nicht stimmt. Mein Wunsch war immer eine kleine Rolle im Tatort zu spielen oder in einer Serie. Zweimal war ich bei Jürgen Roland in „Großstadt-Revier“. Er hat mich entdeckt damals in der „Washington-Bar“. Im Musical „Große Freiheit“ hab ich achthundertmal gespielt. Tausendmal das Stück Feuerwerk.

Wenn sie, wie vorhin betont, nicht mit 90 bis 100 auf die Bühne wollen, können doch zumindest noch zehn weitere aktive Jahre vor Ihnen liegen? 

Wenn Angebote für entsprechende Rollen kommen sag ich ja. Zur Zeit bereite ich ein kleines Theaterstück, ein Volksstück mit ein bisschen Musik vor. Ich würde mich freuen über ein Fernsehangebot, auch bei kleineren Rollen.

In einem Interview vor drei Jahren hatten Sie erwähnt, dass es ein gutes Gefühl sei jederzeit weg zu können, zieht es Sie immer noch woanders hin?

Ich hab einen festen Wohnsitz in der Schweiz, Möglichkeiten in Amerika, aber mein Büro und meine Lebensgefährtin seit 47 Jahren in Hamburg. Sie haben da sicher was dazu gelesen. Herr Schröder braucht viel Geld und die Regierung tut alles, um uns Künstlern besonders Steine in den Weg zu legen. Da hat man gar keine Lust mehr aufzutreten. Ich hab jedenfalls brav alles bezahlt, was ich musste.

Wenn Sie zurückblicken auf eine fast abenteuerliche Kindheit vom Tingeln über Zirkus bis zur Fremdenlegion, was hat Sie da entscheidend geprägt?

Eindeutig der Zirkus, ich bin im Zirkus groß geworden, das war die Basis für mich, da hab ich gelernt. Der Clown, den ich auch spielte, ist die schwierigste Rolle. Als ich bei Nacht und Nebel weglief aus einem bürgerlichen Elternhaus mit einem Stiefvater, den ich nicht mochte, hat mich der Zirkus aufgenommen. Die Zirkusartisten sind für mich nach wie vor die ehrlichsten Vertreter des Showgeschäfts.

Freddy Quinn, vielen Dank für dieses Gespräch

Rolf Diba

 

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