Erfüllung im Luxus-Gefängnis

Erfüllung im Luxus-Gefängnis

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Gloria Teichert als Gastgeberin in Rothenburg. Foto © rolf diba

Rothenburg – Fast vier Jahrzehnte lang war Rothenburg ihre zweite Heimat, hier waren sie nicht einfach Zugezogene, sondern standen immer wieder im Mittelpunkt des früher reichen gesellschaftlichen Lebens in der Stadt: die Rede ist von den Teicherts. Am 23. April 2019 ist Gloria Teichert im Alter von 98 Jahren in Kalifornien gestorben.

Ihr Mann Hanns Teichert war ihr schon 1994 mit 92 Jahren vorausgegangen. Jahre später verkaufte sie das zur Luxuswohnung ausgebaute historische Gefängnis in der Burggasse und kehrte 1997 wieder in die USA zurück. Dort starb sie jetzt in einem Hospital von San Ramon, Kalifornien. Ihr langes Leben hatte viele bunte Facetten. Dazu gehörte einerseits der Luxus mit Glamour – wobei man oft im Rampenlicht der Öffentlichkeit stand – aber andererseits auch eine auffallende Bescheidenheit, vor allem aber ihr soziales Engagement und die große Hilfsbereitschaft, die sie auszeichneten. Wenn es ihr um die Sache ging nahm sie kein Blatt vor den Mund. Nicht wenige erinnern sich an Gloria Teichert als eine Grande Dame, die keine Standesdünkel kannte. Sie hatte ein großes Herz und fühlte sich im Kreis von sympathischen Gästen am wohlsten. Ihr Name ist mit der Hilfsorganisation „Pure Water”, die sie für Tansania in Rothenburg ins Leben gerufen hat, eng verbunden.

Im August 1952 hatte sie den bereits 1921 in die USA ausgewanderten Dresdner Hanns R. Teichert geheiratet. Für den erfolgreichen Innenarchitekten und Dekorationsmaler aus Sachsen war die junge und hübsche Kanadierin (als Schönheitskönigin in den Zeitungen) die große Liebe. Ihr Mann galt schon 1928 als einer der führenden Einrichter und Dekorateure in den USA. Über zweitausend Bauten inklusive der großen Broadway-Theater und Kinos, aber auch Bars und Nachtclubs, bei denen Al Capone Auftraggeber war, trugen die Handschrift seines Teams „Teichert Studios Chicago”.

Der Krieg machte vieles zunichte und erst 1949 reiste Teichert nach langem wieder in die alte Heimat, wo er vor den Trümmern seiner Geburtsstadt Dresden stand. Damals besuchte er auch Rothenburg, das es ihm angetan hatte. Und hier saß er im „Baumeisterhaus” mit Oberamtsrichter Streicher beim Schoppen Wein am Tisch und erzählte von der Suche nach einer Bleibe in Deutschland. Das alte Gefängnis in der Burggasse könne er kaufen, meinte der Richter. Und aus der „spinnerten Idee” (so erzählte es Teichert mir 1993 im Interview) ist später Wirklichkeit geworden!

Aus Knast wird Luxusvilla

„US-Millionär verwandelt Knast in Luxusvilla” titelte die internationale Presse, als nach aufwendigen Ausbauten 1956 die Teicherts in den gewaltigen Bau an der Burggasse gezogen sind. Illustrierte berichteten seitenweise, auch weil man es mit einem millionenschweren Kunstsammler zu tun hatte und im Haus einige Filmstars wie z.B. Liz Taylor zu Gast waren. Ebenso Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, so Teicherts alter Schulfreund Siegfried Buback (1977 als Generalbundesanwalt von RAF-Terroristen ermordet) und US-Präsidentenberater.

Kinder für Pure Water begeistern: Gloria Teichert in ihrer Wohnhalle . Foto © rolf diba

Das Eheglück wurde 1964 kurzzeitig getrübt. Gloria ging zurück in die USA und reichte aus triftigen Gründen die Scheidung ein. Viel Arbeit für die Anwälte, wie damals die US-Presse ausführlich berichtete. Doch dann zog sie ihren Antrag überraschend wieder zurück und man verkündete die Versöhnung. Um diese Zeit ging es auch um angebliche Kunstschätze im Wert von über zehn Millionen Dollar, die Streitthema waren. Hanns Teichert galt als einer der erfolgreichsten Kunstsammler großer Meister wie Leonardo da Vinci oder Dürer.

In Rothenburg war die Familie Teichert gut verwurzelt, Hanns Teichert fand im Künstlerbund enge Freunde. 1961 gründete er mit Kommunal- politikern „Eurocontact – Institut für europäische Kultur- und Bildungsarbeit”, das aber nicht lange existierte. Die umtriebige Gloria Teichert setzte sich nachhaltig für ihr Wasserprojekt im Distrikt Hai (in Tansania Partnerschaftsdistrikt zum Dekanat St. Jakob) am Kilimandscharo ein. Dekan Johannes Rau erinnert sich dankbar an eine bewegte Zeit mit ihr, hebt ihre Warmherzigkeit und ihr soziales Engagement hervor. Aus der Initiative sei im Rahmen Evangelischer Entwicklungshilfe eine Wasserversorgung für hunderttausende Menschen entstanden, betont er.

Die persönliche Verbundenheit und das geschäftliche Vertrauensverhältnis mit Harald Wohlfahrt machte es ihr leichter die Dinge zu ordnen und das Haus nach dem Verkauf in guten Händen zu wissen, ehe sie 1997 ganz nach Kalifornien zurückging, wo ihre Schwester Vivian in Oregon, zwei Söhne, Enkel und Urenkel warteten. Den Kontakt nach Rothenburg ließ sie nie abreißen, er bestand bis zuletzt, und aus Gesprächen war manchmal ein bisschen Heimweh herauszuhören.   ROLF DIBA

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